Anhörung zum Trinkwasserschutz

Lebensmittel Nummer eins

18. April 2024

MÜNCHEN.     Bei der Fachanhörung im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz zur Zukunft des „Bayerischen Weges“ im Trinkwasserschutz haben sich die Experten zum Teil für eine Ausweitung der Wasserschutzgebiete ausgesprochen. Sie forderten zudem weitere Maßnahmen, um das Trink- und Grundwasser zu sichern.

„Reines Trinkwasser und saubere Gewässer sind die Voraussetzungen für Gesundheit, Wohlstand und auch Lebensqualität“, sagte der Ausschussvorsitzende Alexander Flierl (CSU). Deswegen sei es notwendig, dass man sich immer wieder über den „Bayerischen Weg“ austausche. Die Anhörung der zwölf Experten sei deshalb einstimmig beschlossen worden. Der „Bayerische Weg“ ist vereinfacht gesagt: Wasserschutzgebiete sollen auf das notwendige Maß begrenzt werden, ebenso die verpflichtenden Vorgaben und Verbote. Gewässer- und Trinkwasserschutz soll möglichst kooperativ mit allen Beteiligten erfolgen.

Das kostbarste Gut

Dr. Juliane Thimet, Direktorin des Bayerischen Gemeindetags und Vorsitzende der Wasserwerksnachbarschaften Bayern e. V., betonte: „Wasser ist nicht nur ein kostbares Gut, sondern das kostbarste Gut!“ Bayern habe den Vorteil, dass über 92 Prozent des Trinkwassers aus Grundwasser stamme. „Dieses Grundwasser steht massiv unter Druck, nicht nur qualitativ mit den Einträgen, sondern auch quantitativ“, so Thimet. Es gebe gravierende Rückgänge bei der Grundwasserneubildung - in den letzten 20 Jahren 19 Prozent Verlust. „Wir haben Verfahrensdauern bei Wasserschutzgebieten von acht bis 24 Jahren. Im Augenblick sind über 400 Verfahren zur Ausweisung von Wasserschutzgebieten offen“, kritisierte Thimet. Das alles binde Ressourcen und koste Geld und Geduld. Der Gesetzgeber könne aber die Verfahren „auf die Personen begrenzen, die tatsächlich in ihren Rechtspositionen betroffen sind“.

„Trinkwasser ist das Lebensmittel Nummer eins, ohne Wasser funktioniert einfach gar nichts“, erklärte Stefan Köhler, Bezirkspräsident Unterfranken und Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbandes. Direkt danach komme aber die Versorgung mit heimischen Nahrungsmitteln. Bei Obst habe man in Bayern zuletzt nur eine Selbstversorgung von sechs Prozent, bei Gemüse von 39 Prozent erzielt – der Rest wurde aus dem Süden importiert. „Wir sollten deshalb auf eine nachhaltige Produktion vor Ort setzen“, forderte Köhler. Bayern habe mit Abstand das beste Grundwasser in Deutschland. Der Bauernverband sage ja zum „Bayerischen Weg“ beim Trinkwasserschutz, weil die Zusammenarbeit auf Augenhöhe „der Königsweg“ sei. Auf Ackerland werde ein Drittel des Niederschlags zur Grundwasserneubildung genutzt. „Wo es überhaupt keine Grundwasserneubildung gibt, sind versiegelte Flächen“, wies Köhler auf die Städte hin. Der Rückgang der Versiegelung habe daher Priorität. Er forderte „kreative und intelligente Strategien“ sowie „wirksame Förderinstrumente, rechtliche Anpassungen und vor allem weniger Bürokratie“.

Professor Dr. Jörg Drewes, Inhaber des Lehrstuhls für Siedlungswasserwirtschaft der TU München, erinnerte an die jüngsten Veränderungen bei den Wasserressourcen, die nicht auf Bayern beschränkt seien. „Wir haben veränderte Niederschlagsmuster, extreme Starkregen-Ereignisse, gefolgt von langer Trockenheit, höhere Verdunstungsraten durch höhere Durchschnittstemperaturen mit direkten Auswirkungen auf die Vegetation und die Bodenfeuchte, was wiederum relevant ist für die Grundwasserneubildung.“ Man beobachte fallende Grundwasserstände und Rekordniedrigstände in den Gewässern. Das führe zu „zunehmenden Planungsunsicherheiten in Wasserwirtschaft“, Infrastruktur und Hochwasserschutz. „Wir müssen also in Zukunft flexibler werden.“ Grundwasserneubildung finde auch über Versickerung von Flusswasser statt, über Uferfiltration. Darum müsse man den gesamten Wasserkreislauf beachten.

Ressourcen schonen

Dr. rer. nat. Bastian Knorr, Geschäftsführer der Knorr GmbH, die spezialisiert auf die Erschließung von Trink- und Brauwasser ist, bestätigte, dass die Vergabe von Wasserrechten sowie Trinkwasserschutzgebietsverfahren „eine zähe Angelegenheit“ seien. Sein längstes Verfahren feiere nun sogar 25-jähriges „Jubiläum“. Dies könnte beschleunigt werden, würde man bereits vor Verfahrensbeginn die Betroffenen informieren. „Wozu braucht es ein Trinkwasserschutzgebiet? Was für Vorteile hat davon das Allgemeinwohl?“ Um Trinkwasserressourcen zu schonen, müsse man mehr auf Grauwassernetze setzen. „Das heißt, Netze mit einer anderen Qualität, wo kein Trinkwasser benötigt wird.“ Das hätte auch Auswirkungen auf die Schutzgebiete, weil die Entnahmemenge deren Größe definiere.

„Wasser ist ein ganz elementarer Bestandteil unseres täglichen Lebens. Wasser garantiert unseren Wohlstand und letztendlich auch das Überleben“, betonte Dr. rer. nat. Matthias Hornsteiner von der Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit (e. V.). Die Bevölkerung wachse, wie etwa im Großraum München um 300.000 Einwohner in den letzten Jahrzehnten, und müsse mit Wasser versorgt werden. Zudem sei die regionale „Austrocknung der Böden“ eine Herausforderung für die Landwirtschaft. „Die Ursachen dafür sind in aller Regel andere, als man es uns erzählt“, so Hornsteiner. Das habe „nicht unbedingt mit klimatischen Veränderungen zu tun, sondern auch mit lokalen Veränderungen des Bodenhaushalts“, etwa durch Windkraftanlagen. Man brauche wieder mehr „ergebnisoffene Grundlagenforschung“.

„Wir haben das Wasser, das Grundwasser, das Oberflächenwasser entsprechend zu schützen“, forderte Prof. Dr. Dr. h.c. Alois Heißenhuber vom Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie der TU München-Weihenstephan. Man müsse eigentlich drei Rollen betrachten: Die Verursacher, die Betroffenen und die Bewahrer. Mehr oder weniger alle gehörten zu den Verursachern der Wasserverunreinigung wie auch zu den Betroffenen - durch die Veränderungen des Grundwassers, der Gewässer, des Wetters und der Temperaturen. Ebenso könnten aber alle einen Beitrag leisten, um das Wasser zu schützen. „Das heißt, es müssen die Einträge dort, wo sie über ein bestimmtes Maß hinausgehen, entsprechend reduziert werden.“ Außerdem müsse man mehr dafür tun, dass das Wasser nicht so schnell abfließe und es speichern.

In die Glaskugel schauen

Die Bayerische Rieswasserversorgung (BW) als ein Zweckverband von 35 Gemeinden versorge in den schwäbischen Landkreisen Donau-Ries und Dillingen rund 120.000 Menschen mit Wasser, berichtete deren Werkleiter Bernd Hauber, zugleich stellvertretender Vorsitzender und Geschäftsführer der ARGE Wasser Schwaben. Es müsse Vorsorge betrieben werden, um Schäden in Wasserschutzgebieten möglichst auszuschließen. „Hierfür ist grundsätzlich ein größeres Wasserschutzgebiet geeigneter als ein kleineres, da hier mehr Schutz vorgenommen und der Eintrag von Schadstoffen somit minimiert werden kann.“ Langfristig sei mit einer Abnahme der Grundwasserbildung zu rechnen. „Dies resultiert unter anderem aus fehlender langsamer Schneeschmelze, aber auch aus der steigenden Verdunstung aufgrund steigender Temperaturen.“ Da niemand in eine Glaskugel schauen könne, sei die Vorsorge das geeignetste Instrument.

Der Umgang mit unserem Wasser durch Bürger und Politik sei „sehr sorglos“, befand Martin Geilhufe, Landesbeauftragter des BUND Naturschutz in Bayern. Der BUND sei auch dafür, dass hier der Anbau von Obst und Gemüse stattfinde. „Außerdem brauchen wir eine landesweite Renaturierungsoffensive. Wir brauchen mehr Raum für unsere bayerischen Flüsse und Bäche sowie einen konsequenten Schutz für wasserabhängige Ökosysteme wie Meere und Auen“, forderte Geilhufe. Die Wasserknappheit könne letztlich auch nicht durch große Leitungen wie die sogenannte Wasserspange vom Bodensee beseitigt werden. Es brauche daher mehr Wassersparen und ein ambitioniertes Herangehen daran, das Wasser in der Fläche zu halten. „Das wird viel Geld und Personaleinsatz kosten. Das wird aber auch Geld bringen“, erklärte Geilhufe. Auch müsse veraltete Technik angepasst sowie die Wasserentnahme automatisch kontrolliert werden.

Prof. Dr.-Ing. Markus Disse, Inhaber des Lehrstuhls für Hydrologie und Flussgebietsmanagement der TU München, forderte für mehr Resilienz mehr dezentrale Maßnahmen. Was beim Klimaschutz „ein bisschen übersehen wird, ist der kühlende Effekt der Verdunstung, also der kleine Wasserkreislauf“. Dass es trockener werde und mehr Starkregen gebe, hänge auch mit dem Bodenwasserhaushalt zusammen, der den kleinen Wasserkreislauf antreibe. Dieser müsse aktiviert werden, etwa durch dezentrale Speicherung, was auch das Grundwasser schütze. In der Slowakei gebe es dafür schon seit 15 Jahren ein Konzept. Auch Bayern habe ein von der EU gefördertes und von der TUM begleitetes Projekt, das als „Blaupause“ dienen solle. Es brauche ein Screening für Bayern, wo man wieviel Wasser nutzen könne, wie die örtlichen Begebenheiten seien und welche Maßnahmen jeweils am effektivsten und kostengünstigsten sein könnten.

Wolfgang Brandl, ehemaliger Geschäftsführer der Stadtwerke Eichstätt, forderte „unter Berücksichtigung der Herausforderungen des Klimawandels die Entwicklung einer vorausschauenden und langfristigen Strategie“ für Bayern. Privatisierungsüberlegungen lehnte er ab. Nur mit einem komplett neuen Wassergewinnungsgebiet für rund 20 Millionen Mark, die auf die Kunden umgelegt werden mussten, habe man in Eichstätt die Trinkwasserqualität sichern können. „Daneben mussten wir ein neues Schutzgebiet ausweisen. Keine einfache Sache, da es ausschließlich im Gebiet der Nachbargemeinden lag und landwirtschaftliche Flächen betroffen waren.“ Allerdings stelle man auch in diesem Gebiet bereits deutlich sinkende Grundwasserbildung fest, die sich durch das verregnete Winterhalbjahr zwar verbessert habe, aber vermutlich nur „vorübergehend“.

Prof. Dr. agr. Karl Auerswald von der TU München - School of Life Science, Lehrstuhl für Grünlandlehre, plädierte für größere Schutzgebiete, die wie in anderen Bundesländern die gesamten Wassereinzugsgebiete erfassen. In Bayern seien nur etwa fünf Prozent der Landesfläche Wasserschutzgebiet, in Hessen 55 Prozent. „Im Einzugsgebiet einer Trinkwasserfassung wird jeder gebildete Tropfen Grundwasser zur Trinkwasserfassung geleitet, steht also nicht für andere Zwecke zur Verfügung, zum Beispiel für die Natur, das Speisen der Fließgewässer und die Bewässerung.“ Die übrigen Gebiete müssten daher diese Aufgaben erfüllen. Auerswald forderte, dass der Oberflächenabfluss wieder verstärkt versickern müsse, etwa durch kleinteilige Landnutzung, was auch die Nitratproblematik verbessern würde. „Durch Rezyklierung stabilisieren sich Systeme“, so Auerswald, der auch Regenwasserzisternen befürwortete.

„Wasser ist eine strategische Ressource. Wasser, Daten und Erschließung neuer Brunnen für die Wasserversorgung unterliegen zum Beispiel im Nahen Osten, in Israel oder Palästina dem Militär“, erklärte Harald Kunstmann, Klimaforscher und Inhaber des Lehrstuhls für Regionales Klima und Hydrologie der Universität Augsburg. Auch bei uns müsse die Verwaltung dieser wichtigsten Ressource „vollumfänglich in der Hand des Staates“ liegen. Die abnehmende Grundwasserneubildung in Bayern unterliege verschiedenen Faktoren wie steigenden Temperaturen, veränderten Niederschlägen, Schneeschmelze oder Verdunstung. „Um mit Maßnahmen gegensteuern zu können, muss die Grundwasserneubildung landesweit gefördert werden“, betonte Kunstmann. Dazu brauche es zeitnah ein umfangreiches Monitoring der Bodenfeuchte und ein Forschungsprogramm.

Mit allen Beteiligten

In der anschließenden Diskussion der Fraktionen betonte Volker Bauer (CSU), dass alle Maßnahmen „nicht nur wirksam, sondern auch finanziell tragbar und gerecht verteilt werden“ müssten. Einfache Lösungen gebe es nicht. „Effektiver Grundwasserschutz kann nur durch eine umfassende Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure erreicht werden, von lokalen Behörden und Landwirten bis hin zu Bürgern und Unternehmen“, meinte Marina Jacob (FREIE WÄHLER). Lösungsansätze wie stärkere Verwendung von Grauwasser oder Regenwasserzisternen sollten aber stärker einbezogen werden. Eine Privatisierung der Trinkwasserversorgung sei in Bayern nicht geplant. Prof. Dr. Ingo Hahn (AfD) plädierte dafür gegen Flächenversiegelung, die Begradigungen von Fließgewässern und den Landnutzungswandel etwa für Bioenergie. Eine zusätzliche Abgabe wie den Wassercent lehnte er ab. Patrick Friedl von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN forderte, auch die Einzugsgebiete künftig in die Wasserschutzgebiete aufzunehmen und zudem eine klare Datengrundlage zu schaffen. Er fragte, was zu tun sei, um die Wasserschutzgebietsverfahren zu beschleunigen. Prof. Dr. Jörg Drewes sagte, die Ausweisung durch ein überragendes öffentliches Interesse sei dafür eine Möglichkeit. Anna Rasehorn (SPD) sprach sich für stärkere Renaturierung aus. Sie wollte wissen, wie die Landwirtschaft der Wasserknappheit begegnen könne. Stefan Köhler erklärte mehrere Maßnahmen wie die Tröpfchenbewässerung sowie Sonden, die Zeitpunkt und Umfang einer optimalen Bewässerung steuern würden. Kürzere Eingriffe in den Boden reduzierten zudem die Verdunstung.

/Andreas von Delhaes-Guenther

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