Reform des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes anlässlich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Entlohnung von Strafgefangenen

Anhörung im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration

20. Februar 2025

MÜNCHEN.   Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss Bayern bis Mitte des Jahres sein Strafvollzugsgesetz ändern. Im Mittelpunkt steht dabei die Arbeit von Häftlingen in den Gefängnissen sowie ihre Vorbereitung auf ein Arbeitsleben nach der Entlassung. Im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration nahm eine Runde aus Expertinnen und Experten den entsprechenden Gesetzentwurf der Staatsregierung unter die Lupe.

Nach den Plänen der Staatsregierung sollen Strafgefangene in Bayern künftig höhere Arbeitslöhne für ihre Tätigkeiten hinter Gittern erhalten. Grundlage ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG), das eine stärkere Fokussierung des Strafvollzugs auf die Resozialisierung gefordert hatte. Mit den seit gut 20 Jahren unveränderten Löhnen sei dies nicht mehr gewährleistet. Der Gesetzentwurf der Staatsregierung sieht nun vor, dass die Häftlinge nach Abzug von Unterbringungs- und Verpflegungskosten künftig für durchschnittlich anspruchsvolle Tätigkeiten 3,18 Euro je Stunde erhalten, bislang sind es 1,91 Euro. Vom ausbezahlten Lohn müssen die Häftlinge aber gut die Hälfte unter anderem als "Überbrückungsgeld" für die ersten Wochen in Freiheit ansparen. Als neue nicht-monetäre Komponente der Entlohnung erhalten die Gefangenen die Möglichkeit, durch langfristige Arbeit oder Opferentschädigung die Gerichtskosten ihres Strafverfahrens teilweise erlassen zu bekommen. 

Ruf nach Ergänzungen im Gesetz

Im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration stießen die Pläne bei einer Expertenanhörung auf breite Zustimmung. "Der Gesetzentwurf trägt den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung", urteilte stellvertretend der Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ebrach, Volker Rath. Im Detail sah die Runde allerdings an verschiedenen Stellen noch Ergänzungsbedarf, so beim Taschengeld für Untersuchungshäftlinge. Das Verfahren zu dessen Gewährung sei zu komplex und dauere zu lange, berichtete die Leiterin der Justizvollzugsanstalten Kempten und Memmingen, Anja Ellinger. Die Betroffenen müssten sich oft wochenlang das Geld für kleine Einkäufe im Anstaltsladen zusammenleihen, was nicht selten zu Spannungen führe. Eine Entbürokratisierung würde nicht nur die Verwaltungen entlasten, sondern anstaltsinterne Konflikte erst gar nicht entstehen lassen, sagte Ellinger. Dem pflichtete ihr Kollege Rath bei.

Die Anhebung der Entlohnung für Strafgefangene wurde allgemein als erforderlich erachtet. Der hessische Generalstaatsanwalt Torsten Kunze regte allerdings an, den Inhaftierten nicht die komplette Erhöhung für ihren privaten Konsum zur freien Verfügung zu geben. Er plädierte dafür, einen höheren Anteil für das Ansparen sowie das Abtragen von Schulden und die Schadenswiedergutmachung zu reservieren. Nach Angaben von Johann Endres vom Kriminologischen Dienst der bayerischen Justiz werde von den Strafgefangenen knapp die Hälfte der frei verfügbaren Mittel in Tabakwaren umgesetzt. Vor diesem Hintergrund sei es fraglich, ob die Lohnerhöhung ohne zusätzliche Regeln sinnvoll sei.

Gefangene besser auf Zeit nach Entlassung vorbereiten

Als deutlich ausbaufähig bezeichneten die Experten das Übergangsmanagement aus dem Strafvollzug in das Leben in Freiheit. Dieses müsse mehr darauf ausgerichtet sein, dass entlassene Gefangene möglichst schnell in eine geregelte Arbeit kämen. "Für die Entwicklung einer Zukunftsperspektive in Freiheit fehlt im Gesetzentwurf konzeptionell noch einiges", urteilte die Dortmunder Rechtsprofessorin Christine Graebsch. Mehr Geld für die geleistete Arbeit allein bringe noch keinen Mehrwert für die Resozialisierung. Auf die Bedeutung einer geregelten Arbeit wies der Kriminologe Endres hin: "Wer nach der Haft schnell Arbeit findet, wird deutlich seltener rückfällig." Leider würden nur 30 Prozent der Gefangenen ein Jahr nach ihrer Entlassung einer geregelten Arbeit nachgehen. Als mögliche Maßnahmen nannte Endres Vollzugslockerungen wie einen Internetzugang für schriftliche Bewerbungen aus der Haft heraus, Freigänge zu persönlichen Vorstellungsgesprächen oder Haftfreistellungen für eine Probezeit. Der stellvertretende Leiter der Abteilung Justizvollzug im Bremer Justizsenat, Alexander Vollbach drängte zudem auf die engere Einbindung der Arbeitsagenturen bei der Job-Vermittlung für Entlassene. Die Experten Kunze und Rath lenkten in diesem Zusammenhang den Blick auf Sicherheitsaspekte. Es müsse gewährleistet sein, dass der Freigang nicht zur Flucht oder Begehung neuer Straftaten missbraucht werde.

Belastung für Gefängnispersonal steigt weiter

Für den vom BVG geforderten stärkeren Fokus auf die Resozialisierung hielten mehrere Experten weitere Maßnahmen erforderlich, die auch im Gesetz abgesichert werden müssten. Ein mehrfach genannter Punkt war, die psychologische Betreuung der Häftlinge stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Die JVA seien mit der steigenden Zahl an psychisch auffälligen Gefangenen zunehmend überfordert, äußerte sich die Anstaltsleiterin Ellinger zur Lage. Der Leiter der Vollzugsabteilung im Justizministerium von Baden-Württemberg, Martin Finckh, ergänzte, dass der Umgang mit den Gefangenen nicht nur wegen psychischer Auffälligkeiten schwieriger werde. So sei der Anteil der Häftlinge mit abgeschlossener Schul- oder Berufsausbildung in den vergangenen Jahren rapide zurückgegangen, zudem entstünden durch die steigende Zahl ausländischer Häftlinge immer neue Sprachbarrieren. Finckh plädierte deshalb dafür, Sprachkurse zur Unterstützung der Resozialisierung in das Strafvollzugsgesetz aufzunehmen.

Auf zusätzliche Belastungen durch das Gesetz für das Anstaltspersonal machte das Landesvorsitzende der Justizvollzugsbediensteten, Alexander Sammer, aufmerksam. Ohne Digitalisierung und mehr Personal seien die geplanten und grundsätzlich begrüßenswerten Änderungen "nicht praktikabel umsetzbar", warnte er. Die zusätzlichen Anforderungen an die Vollzugpläne, die geforderte Stärkung des Übergangsmanagements sowie die neuen Regeln für die nicht-monetäre Vergütung sorgten für erhebliche Mehrarbeit für das Personal. Zudem befürchtete Sammer, dass unter den Gefangenen das Konfliktpotenzial steigen könnte, wenn durch die Lohnerhöhung mehr Geld in den Anstalten in Umlauf sei. Das könnte zu neuen Herausforderungen für die Bediensteten führen.

Debatte um Arbeitspflicht für Häftlinge

Eine kontroverse Debatte entwickelte sich zur gesetzlich verankerten Arbeitspflicht für Strafgefangene. Während Christine Graebsch diese für kontraproduktiv hielt, wurde sie von anderen Experten als notwendig verteidigt. Die meisten Häftlinge kämen nicht aus einem geordneten Arbeitsverhältnis, deshalb sei die Arbeitspflicht als vorbereitende Maßnahme für den späteren Berufseinstieg unabdingbar, erklärte Torsten Kunze. Personalvertreter Sammer ergänzte, die Arbeitspflicht sei ein "unverzichtbarer Bestandteil eines geordneten Strafvollzugs". Vollbach verwies auf die positiven Erfahrungen mit einer eingeschränkten Arbeitspflicht in Bremen. Hier werde im Vollzugplan individuell entschieden, ob ein Häftling der grundsätzlichen Arbeitspflicht nachkommen müsse oder ob es im Sinne der Resozialisierung besser wäre, ihm eine berufliche Qualifikation zu ermöglichen oder zum Beispiel eine Therapie zu gewähren. Graebsch mahnte außerdem an, den Fokus nicht zu eng auf die Arbeit zu legen. Es brauche auch Konzepte für Gefangene, die nicht arbeiten könnten oder dürften, wie Menschen im Rentenalter, mit Erwerbsminderung oder solche, für die aus unterschiedlichen Gründen keine geeignete Arbeit zur Verfügung gestellt werden könne.

/ Jürgen Umlauft

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