Wie große Infrastrukturprojekte erfolgreich werden

Fachgespräch im Verkehrsausschuss

22. Februar 2022

MÜNCHEN.    Für die Wartung ihrer ICE-Züge will die Deutsche Bahn im Großraum Nürnberg ein neues Instandhaltungswerk errichten. Gegen die drei verbliebenen möglichen Standorte gibt es Proteste in der Bevölkerung. Dasselbe gilt beispielsweise für den geplanten Brenner-Nordzulauf oder die dritte Startbahn am Münchner Flughafen. Wie Großprojekte transparent und erfolgreich auf den Weg gebracht werden können, wollte diese Woche der Verkehrsausschuss mit einem Fachgespräch herausfinden.

Für Wulf Hahn, geschäftsführender Gesellschafter der Planungsagentur RegioConsult, sollte die Öffentlichkeit bei der Standortauswahl frühzeitig mit einbezogen werden. Sie verfüge über ein spezifisches Wissen über die jeweilige Region. „Durch einen Bürgerdialog lässt sich viel Zeit einsparen, weil so zu Beginn und nicht nach Abschluss des Verfahrens mögliche Alternativen diskutiert werden können“, unterstrich er. Idealerweise seien dabei auch Mediatoren anwesend. Wichtig bei der Planung sind laut Hahn auch die Auswirkungen auf die Umwelt. Oft genug verzögerten sich dadurch Großprojekte oder mussten ganz gekippt werden. Den Zeithorizont für die Fertigstellung des ICE-Werks in Nürnberg bis 2028 nannte er „sportlich“.

Der Projektleiter der Deutschen Bahn, Carsten Burmeister, sah bei der Standortauswahl für das ICE-Werk in Nürnberg alle genannten Punkte als erfüllt an. In den letzten 16 Monaten seien 70 Standorte ermittelt worden, die nach und nach auf drei in der Region Nürnberg aussortiert worden seien. Dabei hat es laut Burmeister auch immer Bürgerdialoge gegeben. „Wir haben der Öffentlichkeit viele Informationen zu den Planungsunterlagen geliefert, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht nötig waren“, betonte er. Beispielsweise zu Schall- und Lärmgutachten. Zusätzlich habe es 70 separate Termine gegeben. Burmeister versteht den hohen Informationsbedarf der Bevölkerung. „Gleichzeitig müssen wir jetzt auch mal vorankommen.“

Klaus-Dieter Josel, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für den Freistaat Bayern, stimmte seinem Vorredner zu. Ziel sei es, die Nachfrage im Fernverkehr zu verdoppeln. Entsprechend müsste auch die Anzahl der Züge von aktuell 300 auf 600 steigen. „Auch die aktuelle Politik hat eine Verkehrswende postuliert“, sagte er. Dazu brauche es neue ICE-Werke – am dringlichsten im Raum Nürnberg. „Dort haben wir aktuell eine Lücke“. Außerdem soll im Rahmen des sogenannten Deutschlandtakts die Strecke München – Nürnberg – Berlin künftig häufiger befahren werden. Insgesamt will die Bahn in der Region 400 Millionen Euro investieren und 450 neue Arbeitsplätze schaffen.

Mehr über das „Wie“ als das „Ob“ diskutieren

Der Abteilungsleiter für Straßen- und Brückenbau aus dem bayerischen Verkehrsministerium, Professor Wolfgang Wüst, attestierte der Bahn eine „vorbildliche“ Einbeziehung der Bevölkerung beim geplanten ICE-Werk. Diese sei auch nicht zu spät erfolgt: „Einen kleinen Planungsvorsprung brauchen die Planer schon, um bei einer Bürgerversammlung nicht ohne Fakten dazustehen.“ Er kritisierte, dass bei Großprojekten häufig mehr über das „Ob“ als über das „Wie“ diskutiert werde. „Dadurch verpasst man Chancen.“ Selbst beim besten Dialogprozess könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein einzelner Betroffener oder ein Verband das Projekt aufhält oder verhindert. „Der Blick auf das Allgemeinwohl ist in den letzten Jahren verloren gegangen“, konstatierte er.

Hans Friedl (FREIE WÄHLER) betonte in der anschließenden Aussprache die Wichtigkeit von größtmöglicher Transparenz gegenüber den Bürgern – gerade bei der Mobilitätswende. „Beim Brenner-Nordzulauf wäre zum Beispiel mehr davon wünschenswert gewesen“, sagte er. Gleichzeitig müsse natürlich auch ambitioniert an Großprojekte herangegangen werden, um etwas zu erreichen. Ein Dilemma.

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses Sebastian Körber (FDP) kritisierte, dass Markus Söder in seiner Funktion als Ministerpräsident die Standortauswahl für das ICE-Werk „torpedieren“ würde. „In einem Schreiben an den CSU-Ortsverband Feucht schließt Söder ohne jegliche Absprache zwei mögliche Standorte aus.“ Dies sei eine aktive Einmischung in das Auswahlverfahren. „Das ist unerhört und inakzeptabel.“ Auch Wulf Hahn von RegioConsult bemängelte, dass sich die Politik gerade am Ende eines Raumordnungsverfahrens zu oft einmische, dadurch Projekte später vor Gericht scheitern und so unnötig in die Länge gezogen würden. Körbers Forderung, Söder herbeizuzitieren, wurde mit den Stimmen von CSU und FREIEN WÄHLER abgelehnt.

Opposition kritisiert Standortauswahl

Ferdinand Mang (AfD) wunderte sich, dass bei der Standortauswahl für das ICE-Werk nicht über naturschutzrechtliche Belange gesprochen wurde. Alle drei Standorte lägen in einem sogenannten Bannwald, in dem eigentlich jegliche menschlichen Eingriffe verboten sind. Mang kritisierte auch, dass bereits ohne eine endgültige Standortentscheidung für das Instandhaltungswerk neue ICE-Züge bestellt wurden. „Es ist inakzeptabel, deswegen jetzt Druck auf die Verwaltung auszuüben.“

„Es läuft nicht gut“, resümierte Ursula Sowa (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die drei von der Bahn favorisierten Standorte seien „nicht der Hit“. An allen gebe es Probleme wegen des Bannwalds oder des Umweltschutzes. „Das ICE-Werk hat immerhin eine Länge von einem halben Kilometer“, unterstrich sie. Ohne ökologische Auflagen oder Ausgleichsmaßnahmen werde es grundsätzlich nicht gehen.

Natascha Kohnen (SPD) verlangte, nach neuen Lösungen für Großprojekte zu suchen. „Beim Brenner-Nordzulauf wurden 100 Trassen vorgeschlagen – da war im Prinzip jeder in der Region betroffen.“ Auch bei der Debatte um Stromtrassen zeigt sich laut der Abgeordneten: „Je mehr Alternativen genannt werden, desto mehr wird diskutiert.“ Es sei daher wichtig, aus den bisherigen Erfahrungen zu lernen.

/ David Lohmann

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