Anhörung zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms

Mitglieder des Wirtschaftsausschusses tauschen sich mit Sachverständigen aus

8. Dezember 2022

München.    Das Landesentwicklungsprogramm (LEP) ist ein Plan für die Zukunft des Freistaates. Dessen wichtigstes Ziel: Die Erhaltung und Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Bayern. Menschen in Städten sollen ebenso gute Chancen auf gute Arbeits- und Lebensbedingungen haben, wie in ländlichen Gebieten. Teile des LEP hat die Staatsregierung überarbeitet. Zur Einschätzung dieser Fortschreibung aus Sachverständigensicht informierten sich die Abgeordneten des Wirtschaftsausschusses.

Wie kann es gelingen, in Bayern den Flächenverbrauch zu verringern? Mit welchen Instrumenten lässt sich die Entwicklung des Landes aktiv in eine gute Richtung steuern? Antworten auf Fragen wie diese soll das Landesentwicklungsprogramm (LEP) als wichtiges Mittel der Landesplanung geben. Im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung diskutierten die Abgeordneten mit Fachleuten, ob das mithilfe der Fortschreibung des LEP erreicht werden kann. Einigkeit herrschte bei der Anhörung der Expertinnen und Experten aus verschiedenen Branchen wie Architektur, Städteplanung, Landwirtschaft oder Naturschutz dabei nicht.

Befürworter loben Steuerungsmöglichkeit

Für Bernd Buckenhofer vom Bayerischen Städtetag kommt in der Fortschreibung des LEP durch die Staatsregierung deren Gestaltungswille zum Ausdruck. Buckenhofer lobte, das LEP achte die kommunale Planungshoheit, biete aber zugleich die durch die Energie- und Mobilitätswende nötige überörtliche und -fachliche Steuerungsmöglichkeit. Ergänzungsbedarf gebe es aber auch: im System der zentralen Orte, beim Klimaschutz, in der Landwirtschaft.

Als Hauptadressat und -betroffener des LEP sah sich der Vertreter des Bayerischen Gemeindetags. Nach den Worten von Matthias Simon gehen die Themen, die die Teilfortschreibung aufgreift, in die richtige Richtung. Allerdings seien Nachjustierungen auf fachgesetzlicher Ebene, bei den Instrumenten für die Innenentwicklung sowie bei Wasser und Energie nötig.

Weniger Flächenverbrauch durch Mehrfachnutzung

Auch Günther Felßner, frischgewählter Präsident des Bayerischen Bauernverbands begrüßte die meisten der geplanten Neuerungen im LEP. Zugleich verwies der Bauernverbandspräsident aber darauf, dass in Bayern jährlich 4.000 Hektar Bewirtschaftungsfläche durch Siedlungs- und Infrastrukturmaßnahmen verloren gingen. „Es ist eines unserer zentralen Ziele diesen Flächenverbrauch in der Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms einzudämmen.“ Im Fokus stehen demnach die Mehrfachnutzung landwirtschaftlicher Flächen und der Ausbau der Energieversorgung. Nach Felßners Ansicht sollte der verstärkte Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Dächern vor der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen priorisiert und als Ziel im LEP aufgenommen werden.

Zu den Unterstützern des LEP gehört auch Christine Völzow von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Grundanliegen des LEP seien gewahrt, wichtige Aspekte wie der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Errichtung von Mobilfunkmasten seien aufgegriffen worden. Gut und richtig sei, dass es keine weiteren Verschärfungen bei der Flächennutzung gegeben habe. Im Detail sehe man noch gewissen Verbesserungsbedarf, weil sich nicht unbedingt erschließe, was Grundsatz geworden sei und was Ziel. Völzow bezieht sich darauf, dass beispielsweise lediglich der Windkraftausbau als Ziel definiert worden sei, nicht der Ausbau der erneuerbaren Energien allgemein. An vielen Stellen wünscht sich die vbw zwar mehr Klarheit. Dennoch überwiegt die positive Einschätzung und die vbw würde das Vorhaben so mittragen. „Lieber jetzt das Vorhaben im Großen und Ganzen erst mal so umsetzen, als eine ganz neue Debatte stattdessen lostreten. Wir haben keine Zeit zu verlieren“, sagte Völzow.

Gegner fordern komplett neues LEP

Ganz anders sieht das Stephan Reiß-Schmidt von der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung. Er fordert zusammen mit einem breiten Bündnis von Fachverbänden aus den Bereichen Architektur, Ingenieurswesen und Stadtplanung ein komplett neues Landesentwicklungsprogramm. Unter dem Stichwort Generationengerechtigkeit mahnte Reiß-Schmidt, mit der Natur könne man nicht verhandeln. Man müsse natürliche Grenzen berücksichtigen. Es gebe zwar gute Ansätze, aber zu wenig Biss. So fehlen nach Meinung von Reiß-Schmidt motivierende Zukunftsvisionen wie beispielsweise eine Gesamtstrategie zu erneuerbaren Energien mit Ertragsbeteiligung. Er forderte einen Neustart statt Flickwerk. „Ein solches LEP neuen Typs würde konkret terminierte und messbare Handlungsziele festlegen.“

Teil des Bündnisses „Das bessere LEP für Bayern“ ist auch der BUND Naturschutz in Bayern. Dessen Vorsitzender Richard Mergner, sieht zwar in der Fortschreibung einige Verbesserungen und positive Grundsätze, bedauerte aber, dass es nicht zu einem insgesamt anspruchsvolleren Entwurf gekommen sei. Die Staatsregierung werde ihrer Aufgabe nicht gerecht, klare Antworten auf existenzielle Herausforderungen wie Klima- und Flächenschutz sowie Daseins-Vorsorge zu geben.  Mergner forderte mehr Verbindlichkeit und wies auf widersprüchliche Ziele hin, wie Klimaschutz und energiesparende Mobilität zu betreiben zugleich aber eine dritte Startbahn am Flughafen München zu bauen. Mergner vermisst zudem Pflichtaufgaben im LEP bei Energiewende oder Mobilitätsangeboten im ländlichen Raum. Ebenso wie der Bauernverbandspräsident forderte er, den Flächenverbrauch zu reduzieren.

Mehr Partizipation der Bevölkerung

Als weiteres Bündnismitglied schloss sich auch Barbara Weihs vom Bund deutscher Landschaftsarchitekt:innen – bdla sowie der Bayerischen Architektenkammer ihren beiden Vorrednern an. Sie mahnte klare Zielaussagen zu Natur und Landschaft an, wie beispielsweise bestandsorientiertes Bauen, Umnutzung oder Kreislaufwirtschaft. Die verfügbare Fläche sei endlich, deshalb müsse die Mehrfachnutzung von Flächen das Gebot der Stunde sein. Der Planungsprozess müsse ferner auf einer besseren Beteiligung der Bevölkerung basieren.

Der Architekt Robert Viktor Scholz schließlich warnte mit Blick auf seine Erfahrungen in Brandenburg vor Windparks auf Agrarflächen. Den erneuerbaren Energien dürfe nicht alles untergeordnet werden. „Das ist der Verkauf und der Verrat der Heimat und der Identitätsverlust für die nächste Generation.“ Er appellierte, im LEP Augenmaß walten zu lassen. Die „Regelungswut“ dürfe nicht zu weit führen, dennoch sollten erneuerbare Energien nicht zu „libertär“ behandelt werden.

Sachverständige konkretisieren auf Nachfrage

In der anschließenden Fragerunde hakten die Ausschussmitglieder bei den Expertinnen und Experten zu den unterschiedlichsten Themen nach. So machte die Abgeordnete Anette Karl von der SPD-Fraktion deutlich, dass die Sozialdemokraten einem Neustart des LEP durchaus positiv gegenüberstehen. Karl fragte aber auch, ob das System zentraler Orte in der Raumordnung seine Steuerungsfunktionen verloren habe. Franz Bergmüller (AfD) beklagte einen teils schlechten Mobilfunkausbau und stieß mit seiner Ausbauforderung beim vbw auf offene Ohren.

Das vom Bündnis „Das bessere LEP für Bayern“ kritisierte Beteiligungsverfahren beschäftigte Manfred Eibl von den FREIEN WÄHLERN. Barbara Weihs konkretisierte daraufhin die Vorstellungen des Bündnisses von einem gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozess. Das ergänzte ihr Kollege Reiß-Schmidt, der für 2023 einen Runden Tisch zur Landesentwicklung mit Bürgerräten und innovativen Formaten zur Jugendbeteiligung vorschlug. Für Richard Mergners wären öffentliche Regionalplanungen ein wichtiges Element

„Freiwilligkeit beim Flächensparen gescheitert“

Die Frage, wie die Energie zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern kommt und was dazu im LEP stehen sollte, stellte der FDP-Abgeordnete Alexander Muthmann. Hier bestehe Nachbesserungsbedarf bescheinigte die vbw-Vertreterin und mahnte, gemeinsam mit dem BUND, den Leitungsausbau nicht zu vergessen.

Der stellvertretende Ausschuss-Vorsitzende Martin Stümpfig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) konstatierte ebenso wie Bauernverbandspräsident Felßner, das Prinzip Freiwilligkeit beim Flächensparen sei gescheitert. Hilfreiche Werkzeuge beim Flächensparen könnten nach Ansicht von Reiß-Schmidt ein kommunales Vorkaufsrecht sowie ein wirksameres Baugebot sein. Den Einwurf der Ausschuss-Vorsitzenden und ehemaligen Bauministerin Kerstin Schreyer von der CSU zum Flächensparen auf Nachverdichtung im Bestand zu setzen, nannte der Vertreter des Bayerischen Städtetags sinnvoll, aber schwierig durchzusetzen.

/ Miriam Zerbel

 

 

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