Wirtschaftsausschuss: Anhörung zum 10 H-Gesetz

Donnerstag, 16. November 2017
– Von Jürgen Umlauft –

Gut zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des 10 H-Gesetzes über Mindestabstände von Windkrafträdern zur Wohnbebauung hat sich der Wirtschaftsausschuss im Rahmen einer Expertenanhörung Informationen über die Folgen der Neuregelung eingeholt. Hintergrund war der deutliche Rückgang bei der Genehmigung neuer Windräder. Nach einer Auflistung der Staatsregierung sank nach der Einführung der 10 H-Regel, die für den Bau eines neuen Windrads grundsätzlich einen Mindestabstand vom Zehnfachen seiner Höhe zur nächstgelegenen Siedlung vorschreibt, die Zahl der Genehmigungsanträge von 219 im Jahr 2014 auf bislang nur 4 in diesem Jahr und die der Genehmigungen von 244 auf 7.

Nach den Worten von Raimund Kamm, dem Landeschef des Bundesverbandes Windenergie, liegen die Gründe für den Rückgang eindeutig in der Gesetzesnovelle. „Die 10 H-Regelung hat die Planung von Windenergieanlagen in Bayern abgewürgt, die Bilanz ist deprimierend“, klagte er. Zwar benachteilige auch das neue Ausschreibesystem bayerische Standorte im Vergleich zu den Toplagen im Norden Deutschlands, doch zeige der Blick ins benachbarte, 10 H-freie Baden-Württemberg, dass es noch Potential für neue Anlagen gäbe. Dort liege die Zahl der Genehmigungsanträge trotz ähnlicher Topographie um ein Vielfaches über der bayerischen. Die 10 H-Regel habe im Freistaat aber ein Klima geschaffen, in dem sich kaum noch ein Bürgermeister an ein Windkraftprojekt wage. In das Genehmigungsverfahren seien auch „zusätzliche Schikanen“ eingebaut worden. Auf diese Weise lasse sich die für die Energiewende in Bayern benötigte Windkraft nicht voranbringen, sagte Kamm.

Der Landrat von Fürstenfeldbruck, Thomas Karmasin, erklärte, dass die 10 H-Regel den Bau von Windräder zwar erschwert, aber nicht unmöglich gemacht habe. „Es ist anstrengender geworden“, bilanzierte er. Allerdings habe die Regelung dazu beigetragen, dass sich die vor Ort früher oft hitzig geführten Debatten um die Windkraft beruhigt hätten. „Die Angst der Bürger vor einem dramatischen Wildwuchs ist weg“, schilderte er. Insgesamt könne man „mit dem Gesetz leben“. Das bestätigte der Bürgermeister des mittelfränkischen Marktes Neuhof a.d. Zenn, Bruno Thürauf, der unter den neuen Bedingungen die Genehmigung für drei Windräder in seiner Gemeinde erwirkte. Der mit den neuen Bebauungsplänen verbundene Aufwand für die Kommunen sei groß, es koste viel Kraft, Bürger von einem Windrad zu überzeugen. „Wir hatten in der Gemeinde das Glück, dass keiner aufgestanden ist und gesagt hat, ich will das auf keinen Fall“, räumte er ein. Andernfalls wäre das Projekt wohl gescheitert, da die 10 H-Regel die Akzeptanz für die Windkraft nicht verbessert habe.

Ein Umdenken in der Politik forderte Gunnar Braun vom Verband kommunaler Unternehmen. Rein rechtlich lasse 10 H weiter den Bau von Windrädern zu, praktisch komme es aber so gut wie nicht mehr vor. Betreiber wie Kommunen scheuten das komplexe Verfahren und die hohen Planungskosten bei häufig ungewissem Verfahrensausgang. 10 H müsste aus Brauns Sicht entschärft werden, die Kommunen bräuchten mehr Unterstützung vom Freistaat. Der positive Ausgang in Neuhof a.d. Zenn sei bayernweit eine von wenigen Ausnahmen, in denen es gelungen sei, Windkraftanlagen unter dem 10 H-Regime zu bauen.

Die Opposition sah sich durch die Anhörung in ihrer Position bestätigt, dass die 10 H-Regel den Windkraftausbau in Bayern praktisch zum Erliegen gebracht hat. Neben dem willkürlich gegriffenen Mindestabstand sei es ein Fehler gewesen, die Genehmigungsverfahren komplett den Gemeinden zu übertragen, sagte Thorsten Glauber (FREIE WÄHLER). Viele Kommunen scheuten den Aufwand und fürchteten mit Ausbauplänen, Unfrieden in ihre Kommunen zu tragen. Nötig sei eine praxistaugliche Lösung. „Wir brauchen eine Kehrtwende bei 10 H, sonst hat die Windkraft in Bayern keine Zukunft“, erklärte Glauber. Dem schloss sich Martin Stümpfig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) an. Bayern könne sich keine Stagnation beim Ausbau erneuerbarer Energien leisten. Natascha Kohnen (SPD) erklärte, Bayern müsse sein Windkraftpotenzial ausnutzen.

Nach Einschätzung der CSU hat die Anhörung gezeigt, dass die 10 H-Regel nicht alleine verantwortlich für den Rückgang der Genehmigungszahlen ist. Gründe seien auch die schlechteren Standortbedingungen und bundesgesetzliche Regelungen, erklärte der Ausschussvorsitzende Erwin Huber. Ungeachtet dessen sagte er zu, die Hinweise der Experten „gewissenhaft zu überdenken”. Größere Änderungen werde es aber nicht geben. „Das 10 H-Gesetz wird unverändert in Kraft bleiben”, kündigte Huber an.
 

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