Abgeordnete diskutieren über „Bezahlbarkeit der Elektrizität“

Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung

28. Oktober 2021

MÜNCHEN.       Die durchschnittlichen Strompreise in Bayern werden auch in den kommenden Jahren weiter steigen. Das wurde bei einer Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss deutlich. Die Fachleute informierten die Abgeordneten darüber, wie der Anstieg gebremst und Verbraucher und Unternehmen entlastet werden könnten.

Nach Berechnungen der Prognos AG könnte sich der Strompreis in Bayern bis 2030 um durchschnittlich 50 Prozent verteuern. Hauptgründe dafür sind der wachsende Strombedarf sowie die Kosten für die Energiewende. Nach deren Abschluss Mitte der 2030-er Jahre sei aber wieder mit sinkenden Strompreisen zu rechnen, sagte Dr. Almut Kirchner von der Prognos AG voraus. Ohne die Umstellung auf erneuerbare Energien würden die Strompreise aber noch stärker steigen. Diese hätten wegen ihrer vergleichsweise niedrigen Produktionskosten eine "dämpfende Wirkung". Nötig sei deshalb deren konsequenter Ausbau.

Um bis dahin die Strompreise für die Kunden bezahlbar zu halten, forderten mehrere Experten die Abschaffung der EEG-Umlage sowie die Absenkung der Stromsteuer auf das von der EU zugelassene Mindestmaß. Allein das entlaste private Haushalte um bis zu fünf Cent je Kilowattstunde, teilte Dr. Thomas Engelke von der "Verbraucherzentrale Bundesverband e.V." mit. Einkommensschwache Haushalte könnten durch höheres Wohngeld oder einen Aufschlag auf andere Sozialleistungen unterstützt werden. Für Geringverdiener ohne Anspruch auf Sozialleistungen müssten andere Hilfen greifen, zum Beispiel bei der Anschaffung stromsparender Haushaltsgeräte.

Wirtschaftsvertreter warnten vor Wettbewerbsverzerrungen wegen der hohen Strompreise. So plädierte Dr. Bernhard Langhammer als Sprecher der ChemDelta Bavaria für einen stabilen Industriestrompreis. Die Differenz zum jeweils aktuellen Marktpreis müsse für die Unternehmen zum Beispiel über einen auch staatlich unterstützten Fonds ausgeglichen werden. Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt. Die hohen Strompreise seien eine "echte Belastung für unsere Unternehmen" und behinderten den Weg in die Klimaneutralität. Vor allem energieintensive Unternehmen bräuchten andere Marktregeln als Mittelständler und private Haushalte. Ansonsten drohe in einigen Regionen Bayerns eine De-Industrialisierung. Dr. Felix Matthes, Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik beim Öko-Institut, riet davon wegen des immensen Subventionsbedarfs ab.

Brossardt sprach sich zudem für einen umfassenden Ausbau der erneuerbaren Energien und damit auch der Windkraft in Bayern aus. Die 10H-Abstandsregel sei da wenig hilfreich. Zudem forderte Brossardt einen raschen Ausbau der Stromnetze, um Lieferengpässe zu vermeiden. Dem schloss sich Dr. Ingo Schmidt vom Stromnetzbetreiber TenneT TSO an. Ohne Netzausbau würden immer mehr technische Eingriffe zur Stabilisierung der Netze erforderlich. Sein Unternehmen habe dafür allein 2020 mehr als eine Milliarde Euro aufwenden müssen, was letztlich auch auf den Strompreis durchschlage. Dr. Matthes empfahl der Staatsregierung zur Beschleunigung der Energiewende und des Netzausbaus die Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie die erleichterte Bereitstellung der dafür erforderlichen Flächen.

Im Gegensatz zu den anderen Fachleuten lehnte Swantje Fiedler vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft eine Absenkung der Strompreise ab. Aus ihrer Sicht sei dieser in Deutschland nicht zu teuer. Bezogen auf das Durchschnittseinkommen lägen bei Privatkunden die monatlichen Kosten für den Strombezug im europäischen Mittelfeld. Für einkommensschwache Haushalte brauche es aber Hilfen. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie hänge - von wenigen Branchen abgesehen - nicht von der Höhe der Stromkosten ab, so Fiedler. Energieintensive Branchen genössen schon heute Ausnahmeregelungen. Eine pauschale Strompreissenkung sei auch aus ökologischer Sicht der falsche Weg. Fossil erzeugter Strom müsse eher verteuert, regenerativ hergestellter verbilligt werden, meinte Fiedler.

Gänzlich anderer Ansicht als die übrigen Experten war Josef Fäßler, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Energie- und Umweltfragen im Europaparlament. Er bezweifelte, dass der geplante Atom- und Kohleausstieg sinnvoll sei, da Wind- und Solarstrom selbst bei maximal möglichem Ausbau "hinten und vorne nicht ausreichen" würden, um eine preisgünstige und sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Deutschland und Bayern sollten deshalb zur Kernkraft zurückkehren. In den USA und vielen europäischen Ländern sei die Atomkraft elementarer Bestandteil der Klimaschutzagenda.

/ Jürgen Umlauft

 

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