Neues Bayerisches Hochschulinnovationsgesetz
Viel Zustimmung, aber auch Kritik
20. Juni 2022
MÜNCHEN. Die letzte Hochschulreform in Bayern gab es 2006. Die Staatsregierung hat daher entschieden, das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG) auf den Weg zu bringen. Zwei Jahre lang wurde um Details gerungen. In der voraussichtlich letzten Landtagsanhörung zeigten sich jetzt die meisten Sachverständigen im Wissenschaftsausschuss grundsätzlich zufrieden. Kritik äußerten insbesondere Gewerkschaften, der Landesstudierendenrat sowie Personen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften.
Die Präsidentinnen und Präsidenten der größten bayerischen Universitäten haben dem Gesetzentwurf der Staatsregierung für das BayHIG ihren Segen gegeben. Laut Prof. Dr. Thomas F. Hofmann, Präsident der Technischen Universität München (TUM), enthält das Gesetz wichtige Stellschrauben für mehr Autonomie und Flexibilität. Ein paar Punkte wie mehr Freiheit bei der Studierendenauswahl würde er zwar vermissen. „Aber ein Gesetz ist kein Wunschkonzert.“ Wichtiger sei es, den Entwurf jetzt möglichst schnell zu verabschieden, um im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben.
Ähnlich äußerte sich der Präsident der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Prof. Dr. Joachim Hornegger. Er lobte vor allem die schnelleren Berufungsmöglichkeiten, die einfacheren Formalia für Ausgründungen und die Verankerung von englischsprachigen Studiengängen im Gesetz. Sorgen bereiteten ihm lediglich die neuen Regeln zur Umsatzsteuer. Prof. Dr. Bernd Huber, Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität München, lobte die erweiterten Handlungsmöglichkeiten für Hochschulen und dass Baumaßnahmen künftig auf Antrag selbst durchgeführt werden können. Nur bei der Innovationsklausel hätte man durchaus etwas mutiger sein können.
Promotionsrecht für Fachhochschulen
Zustimmung signalisierte auch Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel, Präsidentin der Universität Augsburg und Vorsitzende der Universität Bayern. „Der Gesetzentwurf ist eine ausgewogene Mischung aus Beständigkeit und Agilität“, urteilte sie. Manche Schlagwörter wie zum Beispiel Nachhaltigkeit müssten aber noch genauer definiert werden. Der Präsident der Technischen Hochschule Ingolstadt und Vorsitzende von Hochschule Bayern, Prof. Dr. Walter Schober, schloss sich Doering-Manteuffels Worten an. Es sei gut, dass Ausgründungen jetzt explizit als Hochschulaufgabe im Gesetz stünden und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) das Promotionsrecht erhielten. Lediglich die kameralistische Buchführung gehöre abgeschafft.
Positiv überrascht war auch Prof. Bettina Reitz, Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film München und Sprecherin der Bayerischen Kunsthochschulen. Diese seien viele Jahre nur mit dem Nötigsten ausgestattet worden. Der Gesetzentwurf gebe jetzt „mittelfristige Planungssicherheit“. Aufgrund der kleinen Personaldecke wünschte sich sie aber ein vereinfachtes Berichtswesen. Grundsätzliche Zustimmung kam auch vom Vorsitzenden des Hochschullehrerbundes Bayern, Prof. Dr. Tobias Plessing. Er bemängelte jedoch, dass die im Gesetzentwurf vorgesehene Qualitätssicherung im Gegensatz zur freien Wirtschaft nicht für die Verwaltung gelte und dass es keine Schiedsstelle für Konflikte zwischen Professoren und Hochschule gebe.
Grünes Licht gab ebenso der Verwaltungsrechtler Prof. Dr. Christian von Coelln von der Universität zu Köln. Der Gesetzentwurf sei eine „moderate und sinnvolle Weiterentwicklung“. Kritisch sah er jedoch das Promotionsrecht für HAW. „Da gerät der Gesetzgeber auf dieselbe schiefe Ebene wie in anderen Bundesländern.“ Die „Verwässerung“ des Promotionsrechts habe negative Auswirkungen für das Lehrdeputat, die Besoldung und vor allem für Universitäten. Dr. Margit Weber, Sprecherin der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen (LaKoF Bayern) begrüßte, dass einige zentralen Kernanliegen im Gesetzentwurf berücksichtigt wurden – beispielsweise die geschlechtergerechte Besetzung der Hochschulgremien. Sie fordert aber die Beibehaltung der Amtsbezeichnung „Frauenbeauftragte“ und ein professionelles Beschwerdemanagement.
Sorge um die Fächervielfalt
Kritik am BayHIG übte Prof. Dr. Simone Derix von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sie befürchtet durch das neue Gesetz eine Ökonomisierung der Hochschullandschaft zulasten der Fächervielfalt, insbesondere der Geistes- und Sozialwissenschaften. Dabei hätte gerade der Krieg in der Ukraine gezeigt, wie wichtig die zuletzt oft eingesparte Osteuropa-Expertise ist. Auch Dr. Eduard Meusel von der Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW) glaubt, dass der budgetäre Druck zunehmen wird und viele kleine Fächer wie die Philologie verschwinden werden. „Dem Hochschulinnovationsgesetz geht es vor allem um strukturell-ökonomische Innovation.“ Das sei das Ende einer jahrhundertealten Tradition an Hochschulen.
Sorgen um den Mittelbau machte sich Bernhard Emmer vom Landesverband Wissenschaftler in Bayern. Er kritisierte die im Gesetzentwurf vorgesehene Möglichkeit, dass sich Hochschulen zu Stiftungshochschulen umwandeln können. Dadurch wäre nicht mehr der Freistaat der Dienstherr, was Auswirkungen auf Gehalt, Dienstwohnungen und die Schutzfunktion des Personals hätte. Dieser Punkt bereitete auch Christiane Glas-Kinateder bei ver.di Bayern Kopfschmerzen. Sie verlangte für die 40.000 angestellten Menschen im Wissenschaftsbereich eine Garantie, weiterhin staatlich angestellt zu bleiben. „Der Traum, an Stiftungshochschulen private Finanzierungsquellen zu generieren, ist in Deutschland bisher in jedem Bundesland gescheitert.“
Unterschiedlicher Meinung waren der ehemalige TUM-Präsident Prof. Dr. Wolfgang A. Herrmann und der Vorsitzende der Landes-ASten-Konferenz, Torsten Utz. Während Herrmann eine bayerische Studierendenvertretung für „komplett überflüssig“ hielt, betonte Utz die Notwendigkeit der Mitbestimmung durch Studierende. Besonders störten ihn am BayHIG Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende in unbegrenzter Höhe. „Das schadet der Internationalisierungsstrategie und dem kulturellen Austausch an Hochschulen.“ Außerdem müssten die Studienzuschüsse zur Kompensation der bisherigen Einnahmen aus Studienbeiträgen dringend im Gesetzentwurf verankert werden.
Diskussion um Stiftungshochschulen
In der anschließenden Fragerunde der Fraktionen wurde insbesondere über die Stiftungshochschulen diskutiert. Dr. Stephan Oetzinger (CSU) verwies darauf, dass bisher keine Universität, HAW oder Kunsthochschule einen Umwandlungsgedanken in eine andere Rechtsform hege. Wenn alles nur hypothetisch sei, sagte Christian Flisek (SPD), könne man den Passus auch aus dem Entwurf streichen. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende, Dr. Wolfgang Heubisch (FDP), hatte generell nichts gegen Stiftungshochschulen einzuwenden. „Bei einer Umwandlung muss der Arbeitgeber für bereits angestellte Personen aber weiterhin der Freistaat bleiben.“ Ulrich Singer (AfD) mahnte, entweder den Absatz zu streichen oder im Gesetzentwurf dafür zu sorgen, dass der wissenschaftliche Mittelbau durch diese Regelung nicht schlechter gestellt wird.
Verena Osgyan (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) pochte darauf, die Grundfinanzierung für Geistes- und Sozialwissenschaften sowie das Thema Nachhaltigkeit an Hochschulen fester im BayHIG zu verankern. „Auch bei den Kunsthochschulen gibt es noch Defizite“, sagte sie. Dr. Hubert Faltermeier (FREIE WÄHLER) freute sich über die Zustimmung bei den Punkten Wissenstransfer, Highspeedberufungen, Promotionsrecht, Governance und Gleichstellung. In seinen Augen ist es aber auch notwendig, die Interessensvertretung der Studierendenschaft weiter zu stärken.
/ David Lohmann