Festakt in Hof - 30 Jahre Grenzöffnung

1. Oktober 2019

- Von Zoran Gojic -

„Wer glaubt, die Mauern, die wir 30 Jahren in Europa eingerissen haben, wieder errichten zu müssen, der versündigt sich an der Zukunft“. Mit diesem einen Satz brachte der Hofer Oberbürgermeister Dr. Harald Fichtner in seiner Begrüßung das Thema dieses Abends auf den Punkt. Beim Festakt des Bayerischen Landtags in der Hofer Freiheitshalle wurde an „30 Jahre Grenzöffnung“ erinnert, gleichzeitig aber immer wieder der Bogen in die Gegenwart geschlagen. Europa und Deutschland sind in Freiheit vereint, dennoch gibt es Unzufriedenheit und mitunter Tendenzen zur Abschottung. Im Herbst 1989 wurde die Spaltung Europas und Deutschlands überwunden – drei Jahrzehnte später driftet der Kontinent wieder auseinander. Landtagspräsidentin Ilse Aigner beschrieb das eindringlich mit den Worten: „Die Mauer ist weg. Aber einige Gräben sind noch da.“

Im Festsaal der Freiheitshalle erinnerten Zeitzeugen deswegen noch einmal an die historische Dimension der friedlichen Revolution. Als am 1. Oktober 1989 die ersten Flüchtlinge aus der damaligen DDR mit Sonderzügen in Hof und damit in der Freiheit ankamen, überwog das Gefühl der Freude. In Erinnerung geblieben ist insbesondere die spontane Hilfsbereitschaft, die sich seinerzeit in Hof manifestierte. Unkompliziert und herzlich wurden Tausende von Menschen versorgt, die eigentlich über ganz Deutschland hätten verteilt werden sollen. Aber alle hatten nach dem Passieren der Grenze nur einen Gedanken: an der nächsten Hallestelle „in die Freiheit eintreten“, wie das Markus Rindt nannte. Heute ist er Intendant der Dresdner Sinfoniker, damals war er als 21-Jähriger einer der Flüchtlinge, die raus wollten aus der DDR, die die ständige Bevormundung und Repression nicht mehr aushielten. Und so hießen die Menschen die unerwarteten Gäste aus dem Osten willkommen, denn weiterschicken wollte und konnte man sie nicht, wie der damalige Oberbürgermeister Dieter Döhla betonte. „Die sind doch aus einem Staat geflohen, der ihnen ständig alles vorgeschrieben hat. Und nun wollten sie als freie Menschen in einem freien Land da aussteigen, wo es ihnen gefiel. Wenn wir denen damals gesagt hätten, dass vorgesehen ist, sie an bestimmte Orte bringen zu lassen, hätten die doch geglaubt, sie wären zurück in der Planwirtschaft.“ Die pragmatische und unbürokratische Hilfsbereitschaft begeistert Markus Rindt auch im Rückblick noch immer. „Wie wir empfangen wurden als Flüchtlinge war unglaublich. Damit hatte ich nicht gerechnet. Und ich würde mir wünschen, dass wir weiterhin Menschen, die vor äußerster Not fliehen, so aufnehmen“. Karin Höger, die im Herbst 1989 für das Bayerische Rote Kreuz in Hof im Einsatz war, erinnerte daran, dass vor allen logistischen und organisatorischen Erwägungen immer die Menschen im Mittelpunkt standen, die damals ankamen. „Für uns war das Wichtigste, dass sich alle, die ankamen, willkommen fühlten. Das war unser Ansatz.“

Im Gespräch, das BR-Moderatorin Kerstin Grundmann moderierte, waren sich alle Gäste auf dem Podium einig, dass man den Geist von 1989 nicht vergessen dürfe. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, die Hilfsbereitschaft und das Gefühl, einen historischen Glücksfall erleben zu dürfen, das habe die Menschen zusammengeschweißt. Auch wenn es im Alltag in der Folge selbstverständlich Probleme gab und weiterhin gibt, sei unfassbar viel geleistet worden. Die ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die 1989 als Sozial-Staatssekretärin vor Ort war, plädierte leidenschaftlich dafür, positiver miteinander umzugehen. „Wir sollten endlich aufhören, ständig davon zu reden, was uns trennt und stattdessen einmal sehen, was uns alles verbindet.“ Auch die damals errungene Freiheit werde viel zu oft und leichtfertig als selbstverständlich wahrgenommen. Hansgünter Fleischer, früherer Stadtrat der Hofer Partnerstadt Plauen, rief ins Gedächtnis, wie unfrei man im Osten Deutschlands gelebt habe. „Nachdem man abends die Westnachrichten im Fernseher gesehen hatte, schaltete man immer zurück auf den DDR-Kanal, weil man Angst hatte, bei einem zufälligen Besuch aufzufliegen.“ Der ehemalige Botschaftsflüchtling Markus Rindt war es ebenfalls ein Anliegen, klar zu stellen, dass er nicht aus wirtschaftlichen Gründen in den Westen wollte, sondern weil er die Unfreiheit nicht mehr ertrug. „Uns ging es doch nicht um das Geld. Ich wollte frei sein, die Welt sehen, andere Kulturen kennenlernen. Das war unser Antrieb“.
Am Ende trugen Schülerinnen und Schüler aus Hof und Plauen den Zeitzeugen die Gedanken vor, die ihnen zu dem Begriff „Freiheit“ eingefallen sind. Diese Sprüche verteilten sie auf Postkarten im Publikum und die ganz Jungen hatten erstaunlicherweise sehr viel von dem formuliert, was die älteren Zeitzeugen zuvor ausgesprochen hatten. „Freiheit bedeutet Glück, Frieden, Toleranz und ist keineswegs selbstverständlich. Jedoch bedeutet es auch Verantwortung. Das ist der Grund, warum sich viele davor fürchten“, stand auf einer dieser Postkarten. Besser hätte man die Gespräche dieses Abends kaum zusammenfassen können. 

Info:
Am 30. September 1989 verkündete Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher vom Balkon der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Prag den dort seit Tagen ausharrenden DDR-Flüchtlingen, dass die DDR ihrer Ausreise zugestimmt habe. Noch in derselben Nacht nahmen insgesamt sechs Sonderzüge ihre Fahrt über Dresden und Plauen in den Westen auf und erreichten ab dem Morgen des 1. Oktober 1989 den Hauptbahnhof Hof. Hier wurden die Flüchtlinge in einem Akt beispielloser Hilfsbereitschaft von Hilfsorganisationen, ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sowie der Bevölkerung empfangen. 

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