Deutschsprachige Landesparlamente tagen unter Federführung des Bayerischen Landtags in Würzburg

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Deutschsprachige Landesparlamente tagen unter Federführung des Bayerischen Landtags in Würzburg

Würzburg, 2., 3. und 4. Juni 2019

Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat ihre Kolleginnen und Kollegen der Landesparlamente Deutschlands, Österreichs, Südtirols und des Parlaments der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens sowie die Präsidenten des Bundestags und des Bundesrats zur Präsidentinnen- und Präsidentenkonferenz nach Würzburg eingeladen.

Ein Schwerpunkt des ersten Sitzungstages der deutschen Landesparlamente bildet die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Prof. Dr. Karola Wille, Intendantin des MDR und derzeit stellvertretende ARD-Vorsitzende, war als Referentin eingeladen und stellte klar: Auch der Öffentlich-rechtliche Rundfunk will Reformen des Systems, um die Versorgung mit unabhängigen Informationen im Zeitalter des digitalen Umbruchs sicherzustellen. „Die Medienwelt hat sich tiefgreifend verändert, wir müssen darauf reagieren“, sagte Wille und nannte als Beispiele für den Wandel den zunehmenden Konsum von Streaming-Anbietern wie Netflix, den Gebrauch von Sprachassistenten in Privathaushalten oder den Einsatz Künstlicher Intelligenz im Journalismus. Das lineare Fernsehen hingegen werde weniger genutzt, gerade unter Jüngeren. Dennoch sei es trotz vieler anderslautender Prognosen noch im Alltag der Menschen präsent. 217 Minuten täglich sehe ein Einwohner Deutschlands durchschnittlich am Tag fern, in den neuen Bundesländern seien es sogar 262 Minuten. Auch Jugendliche würde trotz digitaler Angeboten und sozialer Medien fast zwei Stunden fernsehen.

„Die Menschen vertrauen den öffentlich-rechtlichen Medien"

Allerdings funktioniere das Konzept des klassischen Sendens und Empfangs in Zeiten sozialer Medien nicht mehr – das sei eine Chance für den direkten Austausch, berge allerdings auch Risiken, warnte Wille. Durch die Personalisierung der Kommunikation sei die Herstellung einer Gesamtöffentlichkeit kaum noch möglich – für eine Demokratie ein bedenklicher Zustand, befand Wille. Denn die Algorithmen der Konzerne, die mit sozialen Medien Geld verdienen, unterstützen die Meinungsfreiheit nicht – im Gegenteil. Es gehe ausschließlich um die Maximierung von Verweildauern, um den Werbewert zu steigern.
Bemerkenswert fand Wille, dass die meisten Menschen immer noch ihren Lokalzeitungen und dem Öffentlich-rechtlichen Rundfunk das größte Vertrauen entgegenbringen. Auf dieser Basis könne man aufbauen und als Öffentlich-rechtlicher Rundfunk gleichzeitig den neuen Nutzergewohnheiten entgegenkommen und beispielsweise eine gemeinsame Mediathek für ARD und ZDF einrichten. Zudem wollen alle ARD-Anstalten eine gemeinsame IT-Strategie umsetzen, um effizienter arbeiten zu können. Das Thema Finanzierung bleibe virulent, erklärte Wille, die sich für eine Index-Regelung bei der Anpassung der Gebühren aussprach und die jährliche Teuerungsrate im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf 2,49 Prozent taxierte.

Steigerung des Frauenanteils in den Parlamenten

Ein zweites großes Thema war die Steigerung des Frauenanteils in den Parlamenten. Über das Ziel herrscht Einigkeit, über den Weg dorthin gibt es unterschiedliche Ansichten. Ob eine Änderung des Wahlrechts dabei hilft ist umstritten, zudem gibt es verfassungsrechtliche Einwände. Klar war für alle: gefragt sind letztlich die Parteien, wenn es darum geht, mehr Frauen für die aktive Arbeit in der Politik zu begeistern.
Auf dem Programm standen auch Geschäftsordnungsänderungen in den Landtagen. In Thüringen wurde ein wissenschaftlicher Dienst ins Leben gerufen, der so intensiv genutzt wird, dass Kapazitätsgrenzen erreicht werden. Der Landtag in Brandenburg hat nach dem Vorbild des Bundestags ein Ordnungsgeld für Verstöße während des Plenums eingeführt.

Resolution für mehr Mitbestimmung beschlossen

Am zweiten Tag stand bei der gemeinsamen Konferenz der deutschen und österreichischen Landesparlamente die „Stärkung der Subsidiarität“ in Europa im Mittelpunkt. Einstimmig wurde dabei eine Resolution(Dokument vorlesen) zur EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands im zweiten Halbjahr 2020 beschlossen.
Darin fordern die Präsidentinnen und Präsidenten im Interesse einer größeren Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern die Kompetenzen und besonderen Möglichkeiten der Regionalparlamente intensiver in die Gestaltung der Politik der Europäischen Union einfließen zu lassen. „Die Landesparlamente stehen als Mittler der Idee Europas im Dialog mit den Menschen und sollten stärker in die Entscheidungsprozesse der EU eingebunden werden“, erklärte Landtagspräsidentin Ilse Aigner. Ernst Woller, als Präsident des Wiener Landtags Co-Vorsitzender der Konferenz, wies darauf hin, dass die deutschsprachigen Landesparlamente in der EU beinahe 100 Millionen Menschen repräsentieren würden. „Die Europäische Union steht vor großen Herausforderungen, die wir nur in gemeinsamer Anstrengung bewältigen können. Der regelmäßige Austausch der Landesparlamente sowie intensive persönliche Gespräche sind Grundpfeiler einer erfolgreichen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa“, betonte Ernst Woller.

„Wettbewerb der Länder als Chance"

Die Präsidentinnen und Präsidenten verwiesen auf ihre gemeinsame Brüsseler Erklärung aus dem Januar diesen Jahres, in der sie unter anderem die Etablierung eines dauerhaften direkten Dialogs der Regionalparlamente mit den Institutionen der EU, insbesondere der Kommission, fordern. Ein weiterer zentraler Punkt ist der Wunsch nach Einbeziehung der Regionalparlamente in die Konsultationsprozesse der EU-Kommission bei spezifisch regionalen Interessen.
Daneben stand das Thema der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Mittelpunkt. Der Wunsch nach Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse dürfe nicht den Föderalismus aushöhlen. „Wir können als Landespolitiker vor Ort besser reagieren als andere. Und dass die einzelnen Bundesländer eigene Lösungsansätze suchen, bietet als Wettbewerb der Ideen eine Chance für Deutschland“, sagte Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner.

Einig waren sich die deutschen Landesparlamente darin, neue Formate für Gedenkarbeit zu entwickeln, nachdem immer weniger Zeitzeugen des Holocaust und der nationalsozialistischen Terrorherrschaft befragt werden können. Gleichzeitig müsse man die Gelegenheit nutzen, die Zeitzeugen der friedlichen Revolution in der DDR von 1989 und der deutschen Wiedervereinigung künftig intensiv in die Erinnerungsarbeit an die DDR-Diktatur einzubinden. / zg

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