Holocaust-Gedenkakt im Landtag - „Geschichte ist uns nicht egal!"

23. Januar 2019
 
- Von Zoran Gojic -

MÜNCHEN.                Mit bewegenden und eindringlichen Schilderungen von überlebenden Zeitzeugen wurde im Bayerischen Landtag der Gedenkakt für die Opfer des Nationalsozialismus begangen. Der Bayerische Landtag erinnerte anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus, der international am 27. Januar begangen wird, gemeinsam mit der Stiftung Bayerische Gedenkstätten an die Menschen, die während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft ausgegrenzt, gequält und ermordet wurden.

Stiftungsdirektor Karl Freller Video wandte sich in seiner Begrüßung direkt an die anwesende Schulklasse des Gymnasiums Markt Indersdorf aus Oberbayern: „Eurer Zukunft liebe Schülerinnen und Schüler soll diese Stunde dienen“. Denn auch wenn der Vergangenheit gedacht werde, gehe es bei diesem Gedenkakt um die Zukunft. Die Beschäftigung mit den Verbrechen der Nationalsozialisten hätten seine politische Laufbahn geprägt und ihn bestärkt, sich für das Miteinander und gegen die Spaltung zu engagieren, sagte Freller. „Nichts hat mich in meinem langen politischen Leben so sehr bewegt wie die Begegnung mit Überlebenden des Holocaust. Die Lebenseinstellung vieler Überlebender ist positiv. Weil sie nicht hassen wollten und nicht hassen wollen. Hass zerstört, Hass vernichtet – das ist die Botschaft dieser Menschen“.

„Geschichte ist uns nicht egal!"

Landtagspräsidentin Ilse Aigner  Video verurteilte im Anschluss scharf jede Form von Verharmlosung der nationalsozialistischen Verbrechen.
„Wer heute den Holocaust relativiert, macht sich schuldig. Wer heute den Holocaust verleugnet, macht sich schuldig. Und wer heute unsere Erinnerungskultur in den Schmutz zieht, etwa indem er vom „Denkmal der Schande“ spricht, der ist blind - nicht nur gegenüber der Vergangenheit. Er ist auch blind für die Zukunft!“ Der Gedenkakt, den der Bayerische Landtag jedes Jahr gemeinsam mit der Stiftung Bayerische Gedenkstätten veranstaltet, sei ein klares Zeichen gegen das Vergessen und Verdrängen, betonte Aigner. „Ich sage das durchaus mit Stolz: Unsere Erinnerungskultur gilt weltweit als vorbildlich. Oftmals ist sie das Ergebnis zivilgesellschaftlichen Engagements. Von Menschen, denen die grundlegenden Werte unserer Demokratie ein echtes Herzensanliegen sind: Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenrechte. Für all die Errungenschaften, die im Nationalsozialismus mit Füßen getreten wurden! Geschichte ist uns nicht egal, zumal es unsere eigene Geschichte ist.“

Dem Hass entgegen treten

Als Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern Video rechtspopulistische Tendenzen in deutschen Parlamenten mit Verbindungen ins extremistische Milieu verurteilte und dabei explizit die AfD nannte, verließen viele Abgeordnete der AfD-Fraktion den Saal während dort die anwesenden Gäste Knoblochs Aussagen mit stehenden Ovationen bedachten. Knobloch erklärte die Gedenkarbeit zu einem zentralen Pfeiler der freiheitlichen Demokratie in Deutschland. „Ich habe in diesem Land als Kind alles verloren. Das „Nie wieder!“ ist und bleibt für mich das fundamentale Versprechen der Bundesrepublik. Ich selbst frage mich heute angesichts des wachsenden Antisemitismus, ob viele jüdische Menschen sich in Bayern noch sicher fühlen. Lassen sie uns dem Hass entgegentreten. Lassen sie uns nicht tatenlos danebenstehen, wenn Intoleranz und Hass um sich greifen. Ich habe den Glauben an unser Land, an die Heimat, die ich wiedergefunden habe, nicht aufgegeben.“

„Wir waren nicht anders"

Else Höllenreiner, verlas für ihren Mann, Hermann Höllenreiner, Überlebender des KZ Ausschwitz, dessen Erinnerungen. „Wir waren nicht anders. Wir waren Menschen. Wir waren deutsche Menschen. Mit Träumen und Hoffnungen. Wir wurden entrechtet, gedemütigt und verfolgt. Wir waren Teil der deutschen Geschichte und Kultur“, so begannen die aufwühlende Schilderung des Leidensweges von Herrmann Höllenreiner, der im Krieg als Kind von seiner Familie getrennt wurde und mehrfach nur knapp dem Tod entkam. Er zog ein hoffnungsfrohes Fazit: „Ich bin sehr froh, dass in den Schulen nach so langer Zeit auch über uns gesprochen wird.“

Gedenkarbeit muss fortgeführt werden

Abba Naor, ebenfalls Überlebender des NS-Terrors und Vizepräsident des Comité International de Dachau, berichtete in sehr persönlichen Worten, wie er sich bewusst für das Aufeinanderzugehen und die Beteiligung an der aktiven Gedenkarbeit entschied. „Es gelang mir, vom Hass zur Liebe zu kommen. Ich habe gelernt, die Menschen zu lieben. So habe ich auch meine Kinder und meine Enkel erzogen. Ich hoffe, dass andere unsere Arbeit weiterführen, denn die ist sehr wichtig.“

Traditionell veranstalten der Bayerische Landtag und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten jährlich gemeinsam den Gedenkakt für die Opfer des Nationalsozialismus. Ziel dieses Gedenkens ist nicht nur die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, sondern auch die Mahnung an die junge Generation, derartiges Unrecht nie wieder zuzulassen.



Die komplette Rede der Landtagspräsidentin Ilse Aigner finden Sie hier.(Dokument vorlesen)

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