Kann sie das? Sie kann! - Ilse Aigner begrüßt 300 Kommunalpolitikerinnen aus ganz Bayern im Landtag

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11.10.2019

Sie seien empathischer, treten zurückhaltender auf, aber sie zweifeln auch mehr und bedienen Klischees – welche Stärken Frauen in der Politik ausspielen können und warum trotzdem immer noch so wenige von ihnen in den Parlamenten sitzen, darüber diskutierten 320 Teilnehmerinnen des Kongresses „Frauen in Parlamente – FiP!“ im Bayerischen Landtag.

 „Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse kommen überall hin – so heißt es ja, aber wir müssen weder böse sein noch überall hinkommen. Wir müssen mutiger sein und mehr in die Parlamente kommen!“ Mit diesem Appell eröffnete Landtagspräsidentin Ilse Aigner den Kongress „Frauen in Parlamente – FiP!“ im Bayerischen Landtag. Frauen aus der Politik und Wirtschaft berichteten von ihren Erfahrungen im Arbeitsalltag und diskutierten, wie der Anteil weiblicher Abgeordneter in Parlamenten gesteigert werden könnte. Denn nicht einmal jedes zehnte Rathaus in Bayern wird von einer Frau geleitet. In fünf der 71 Landratsämter haben Frauen das Sagen und nur 186 Bürgermeisterinnen sind für das Wohl ihrer Gemeinde verantwortlich. Die Zahlen zeigen: Gerade in Kommunalparlamenten sind Frauen unterrepräsentiert und Kommunalpolitik ist nach wie vor eine Männerdomäne, auch wenn der Anteil der Frauen stetig zunimmt. Nach den bayerischen Kommunalwahlen 1996 lag er bei rund 2,2 Prozent, 2002 bei 3,9 Prozent, 2008 bei 5,9 Prozent und 2014 bei knapp neun Prozent. Doch auch wenn es in diesem Tempo weitergeht, wird der Frauenanteil erst im Jahr 2038 bei rund 44 Prozent liegen und das bei einem Bevölkerungsanteil von mehr als 50 Prozent.

Engagement möglich machen

Aber festgeschriebene Anteile – beispielsweise von weiblichen Kandidaten auf Wahllisten – kratzen für die Präsidentin nur an der Oberfläche. „Engagement kann man nicht verordnen, aber möglich machen: Mit Kinderbetreuung, Homeoffice und den Themen und dem Ton, die Frauen in der Politik ansprechen“, sagte Aigner. Um die Vereinbarkeit von Familie und Politik zu erleichtern, könne beispielsweise der Aufwand für die Kinderbetreuung während Parlamentssitzungen erstattet werden, schlug sie vor. Nur weil Frauen einen leiseren Umgangston pflegen, seien sie nicht weniger überzeugt. Dabei scheuen Frauen oft vor der Verantwortung aus Respekt vor dem Amt und der Kritik zurück. „Wer sich exponiert, setzt sich Kritik aus, doch die muss man aushalten“, appellierte Aigner an die rund 320 Zuhörerinnen. Kritik beziehe sich zudem in den meisten Fällen auf das Amt und sei nicht persönlich gemeint, sprach sie aus eigener Erfahrung. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Grünen, musste erst lernen, mit scharfer Kritik und auch Hasskommentaren umzugehen. Sie forderte eine Debatte darüber, wie mit Beleidigungen gegen Frauen im Netz umgegangen werden soll. „Da helfen nicht nur Solidarität, sondern konkrete Maßnahmen wie Beratungsstellen, damit Hass und Hetze zurückgedrängt werden.“

Show oder Zurückhaltung?

Petra Winter, Chefredakteurin der Zeitschrift Madame, wies darauf hin, dass Frauen sich oft ungern mit Themen auseinandersetzen, die weniger interessant scheinen, wie etwa juristische Regelungen oder Vertragsaufsetzungen. Doch sich gerade mit solchen Themen zu beschäftigen sei wichtig, um mitreden zu können. Hinzu komme, dass einige Frauen freies Sprechen und öffentliche Auftritte scheuen. Auch definierten sie weniger klare Ziele, um nicht arrogant zu wirken, und relativierten ihre Meinung mit Füllwörtern wie „vielleicht“. Dr. Franziska Schutzbach, Geschlechterforscherin, hingegen fragte: „Warum soll Zurückhaltung nur eine schlechte Eigenschaft sein? Nicht nur die beste Show ist etwas wert!“ Sie forderte, dass es in erster Linie nicht darum gehen dürfe, am individuellen Charakter einer Frau zu arbeiten, sondern an den passenden Rahmenbedingungen. „Die Strukturen müssen sich ändern, zum Beispiel mithilfe von Quoten oder spezieller Frauenförderung. In der Gesellschaft werden Rollenbilder gelernt, die Frauen automatisch annehmen – beispielsweise, dass Frauen eher im Privaten angesiedelt sind, während die Männer das Öffentliche repräsentieren“, erklärte sie. Christine Strobel, dritte Bürgermeisterin von München, pflichtete der Wissenschaftlerin bei. „Wir müssen uns von den Anforderungen von außen freischwimmen!“ Sie habe früher oft ein schlechtes Gewissen eingeredet bekommen, wenn sie nicht daheim bei den Kindern gewesen sei.

Vom Kochbuch zur Weinflasche

Brigitta Brunner, Ministerialdirektorin des Bayerischen Staatsministeriums für Bau und Verkehr, betonte, Frauen müssen sich gegen Rollenklischees behaupten. „Am Anfang bekam ich auf Veranstaltungen oft Kochbücher als Dank. Dann habe ich öffentlich gesagt, auch über eine Flasche Wein würde ich mich freuen – ein Kochbuch schenkte mir niemand mehr“, erinnerte sie sich. Was ebenso wichtig sei: Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, und der Mut, nicht perfekt sein zu wollen. „Keiner wird in eine Führungsrolle hineingeboren. Es ist ein permanenter Prozess und eine Aufgabe, der man sich jeden Tag aufs Neue stellen muss. Dabei fällt einem Akzeptanz nicht zu, die müssen Sie sich erarbeiten“, ermutigte Brunner die Zuhörerinnen. Ihr habe geholfen, sich neuen Herausforderungen mit Interesse zu stellen und nicht etwa die Überzeugung „Erfolg in den Genen zu haben“.

Elternzeit für Männer

Die Teilnehmerinnen diskutierten nicht nur die verschiedenen Geschlechterrollen, sondern auch Privilegien sowohl für Frauen als auch für Männer. Annika Popp, seit 2014 Bürgermeisterin der 1250-köpfigen Gemeinde Leupoldsgrün im oberfränkischen Hof, sprach beispielsweise die Akzeptanz für Elternzeit bei Männern an. So bleibe in ihrer Familie ihr Mann mehrere Monate zuhause, um sich um den Nachwuchs zu kümmern. „Männer müssen ein Bewusstsein dafür bekommen, dass auch der Mann Elternzeit übernimmt.“

Pro Quote

Tanja Schweiger, eine der fünf bayerischen Landrätinnen aus Regensburg, lenkte die Diskussion auf das Thema Führung. „Auch wenn man mit dem Selbstverständnis aufwachse, man könne alles, gibt es Mechanismen und Spielregeln, mit denen ich lernen musste umzugehen. Beispielsweise schlagen mir Männer lieber unerfahrene ältere Kollegen vor bei der Besetzung von Führungsposten, als junge Frauen, die sich in einem Fachbereich bereits bewiesen haben“, bedauerte sie. Es reiche also nicht Richtlinien zu verabschieden, auch das Bewusstsein bei denjenigen, die Posten besetzen, müsse sich ändern. Diese Überzeugung vertrat auch Julia Thiele-Schürhoff, CEO Knorr Bremse Global Care. „Wollen allein reicht nicht, es gibt eine gläserne Decke und daher bin ich für die Quote.“ Ein Großteil der Frauen sprach sich offen für die Einführung einer Quote ein. Viele von ihnen seien anfangs dagegen gewesen und hätten ihre Meinung im Laufe der Zeit geändert, weil sie merkten, dass sich sonst nichts ändere. Annika Popp hingegen sagte, Frauenquoten von 50 Prozent seien in kleinen Gemeinden in der Praxis überhaupt nicht möglich. Sie sei froh, wenn sie zumindest zwei Frauen zu einer Kandidatur motivieren könne. Dazu gründete sie einen Frauenstammtisch im oberfränkischen Leupoldsgrün um Interessierte miteinander zu vernetzen.

Der Mix macht’s

Für Innegrit Volkhardt, geschäftsführende Eigentümerin Hotel Bayerischer Hof, hat schon immer die ausgewogene Mischung aus Männern und Frauen in Teams eine wichtige Rolle gespielt. Auch Landtagspräsidentin Ilse Aigner ist davon überzeugt. „Die Kombination aus Männern und Frauen macht unser Land stark. Wir können und wollen nicht auf die eine Seite verzichten. Machen Sie also etwas daraus, ich baue auf Sie!“, lautete Aigners Aufruf vor den Kommunalwahlen im Frühjahr 2020 an die Zuhörerinnen im Landtag.

Fotos der Veranstaltung finden Sie unter: www.bayern.landtag.de/aktuelles/presse/pressefotos

Text der Rede von Landtagspräsidentin Ilse Aigner(Dokument vorlesen)

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