Entwicklungszusammenarbeit: „Zu jedem Dialog gehört Demut“

In der Entwicklungszusammenarbeit gibt es verschiedene Ansätze – was zeichnet das Engagement des Bayerischen Landtags in Südafrika aus?

München/Kapstadt, 01.11.2021

Lange war unklar, wann die Kommunalwahlen in Südafrika stattfinden können – doch nach Gerichtsentscheidungen wird dort heute gewählt. Der deutsche Pfarrer Stefan Hippler, Vorsitzender der gemeinnützigen Organisation HOPE Cape Town, erläutert im Interview die aktuelle politische Situation. Mit dem Bayerischen Landtag hat er einen wichtigen Partner an seiner Seite, um das Verständnis von Demokratie zu fördern. Dieses Demokratieverständnis lernen junge Menschen beispielsweise im Rahmen von Workshops. Warum in der Entwicklungszusammenarbeit Demut dazugehört, um den Dialog auf Augenhöhe zu führen, erklärt Hippler bei einem Gespräch im Landtag.

In der Entwicklungszusammenarbeit gibt es verschiedene Ansätze – was zeichnet das Engagement des Bayerischen Landtags in Südafrika aus?

Stefan Hippler: Der Landtag unterstützt uns mit der HOPE-Stiftung in Kapstadt in zweierlei Hinsicht. Im vergangenen Jahr im Rahmen der Workshop-Reihe „WOMANDLA“. Diese richtet sich speziell an Frauen, wobei es um die Fragen geht: Wer bin ich? Wo will ich hin? Wie ist meine Situation? Welche Perspektiven habe ich? In diesem Herbst haben wir dann einen „democracy workshop“ gestartet. Da stehen die Fragen im Fokus: Wo stehe ich im aktuellen demokratischen Prozess in Afrika? Was bedeutet es, wählen zu gehen und habe ich überhaupt eine Stimme? Wie laufen die Prozesse ab? Das heißt, zu verstehen, an wen muss ich mich wenden, wenn ich bestimmte Dinge ändern will. Im Rahmen des Workshops gehört auch dazu, dass junge Menschen mit älteren in Kontakt kommen und von ihnen erfahren, wie es vor 30/40 Jahren im jeweiligen Township war. Was hat sich verändert? So sollen sie ein Gefühl dafür bekommen, was es bedeutet, in dem alltäglichen Geflecht zu leben, und wie es sich zusammensetzt. Unsere Aufgabe ist dabei immer zu vermitteln, welchen Vorteil es hat, Demokratie zu unterstützen.

Wie ist die aktuelle Situation in Südafrika vor dem Hintergrund der Kommunalwahl am 1. November 2021?

Stefan Hippler: Die Kommunalwahl war erstmal umstritten. Von der Wahlleitung war angedacht, sie bis zum Sommer im kommenden Jahr zu verschieben. Gerichte haben aber dagegen entschieden, sodass die Wahl jetzt stattfinden kann, zu der mehr als 300 Parteien zugelassen sind. Wichtig zu wissen ist, dass wir in Südafrika keine Tradition für Koalitionen haben. Das hat unter anderem dazu geführt, dass es in Städten, darunter auch in Johannesburg, zu chaotischen Zuständen kam. Der Grund dafür ist, dass Abgeordnete in den Stadtparlamenten die Seiten wechseln und einige in erster Linie nicht den Menschen dienen wollen, sondern zunächst die Erfüllung eigener Vorteile die Beweggründe sind. Dabei geht es auch nicht immer friedlich zu, aktuell haben wir sehr viele politische Morde.

Sie haben den ersten Teil des „democracy workshop“ persönlich begleitet – was haben die Teilnehmer daraus mitnehmen können?

Stefan Hippler: Ich fand es stark, dass am Anfang ein Teilnehmer gesagt hat, er gehe nicht wählen, weil „sowieso alle Politiker Gangster sind“ und es sich nicht lohne. Am Ende meinte er: „Jetzt gehe ich doch zur Wahl!“ Das zeigt mir, dass zumindest ein bisschen was hängen geblieben ist. Die Leute sind relativ unbedarft, weil sie auch keine Erwartungen mehr an ihre politischen Vertreter haben. Das Wissen, wie man zum Beispiel zur Wahl geht, ist zudem relativ dünn. Da gibt es viele Unsicherheiten. Im Rahmen von Übungen – wie dem Gang zur Wahlurne – versuchen wir daher, viele praktische Fragen zu klären. Und es geht darum, zu vermitteln, dass wirklich jede Stimme zählt und dass jede auch entscheidend sein kann. Ich habe zudem davon erzählt, wie Europa tickt, wie bei uns die Prozesse laufen, und klargemacht, dass bei uns nicht alles perfekt läuft und dass das demokratische System „nicht vom Himmel gefallen ist“, sondern dass man dafür hart arbeiten muss.

Wie wird sich nach Ihrer Einschätzung die Situation in Südafrika entwickeln?

Stefan Hippler: Wir brauchen noch viel Zeit. Die Lage insgesamt ist unheimlich komplex und wir können immer nur punktuell versuchen, Dinge zusammen auf die richtige Schiene zu kriegen – wobei wir zunächst entscheiden müssen, was die richtige Schiene für dieses Land ist.

Was empfehlen Sie Politikern, die das Thema Entwicklungszusammenarbeit auf ihre politische Agenda stellen?

Stefan Hippler: Es ist entscheidend, den persönlichen Austausch miteinander zu suchen. Für uns in Südafrika ist zum Beispiel der Dialog mit dem Bayerischen Landtag unheimlich wichtig, um zu lernen – und zwar auf Augenhöhe – was es bedeutet, demokratische Prozesse umzusetzen. Da hat der Bayerische Landtag einen Schatz an Erfahrungen, der nicht übergestülpt werden soll. Aber der vielleicht ein Stück weit dabei hilft, dass die Abgeordneten im Parlament von Kapstadt das ein oder andere überdenken und überlegen, wie die Kooperation aussehen kann.

Sie haben gerade betont, wie wichtig der Austausch „auf Augenhöhe“ ist – was bedeutet das für Sie konkret in der Zusammenarbeit?

Stefan Hippler: Auf Augenhöhe zu diskutieren bedeutet, offen zu sagen, dass in Deutschland nicht alles immer richtig läuft. Nur wenn beide Seiten ehrlich zueinander sind, kann man Vertrauen aufbauen. Zu jedem Dialog – gerade zwischen Kapstadt und Bayern – gehört ein gutes Stück Demut. Dazu gehört vor allem, zuhören zu können, weil vieles, was wir für selbstverständlich halten, eben nicht selbstverständlich ist. Viele Worte, die wir benutzen, haben andere Inhalte. Daher muss man sehr genau hinhören und muss sehr genau nachfragen, um sich in den anderen hineinversetzen zu können. Das sind die Grundvoraussetzungen für den gemeinsamen Dialog.

Wie unterstützen der Bayerische Landtag und die Staatsregierung die Entwicklungszusammenarbeit in verschiedenen Ländern? Lesen Sie dazu: Partnerschaften und Projektförderung stärken – Berichte der Staatsregierung und des Landtages zum entwicklungspolitischen Engagement.

/ AS

Randspalte

Seitenanfang