„Gemeinsam ein Stück Weg gehen“

Entwicklungszusammenarbeit in Südafrika – Pfarrer Stefan Hippler im Interview

München, 16.9.2021

Vor mehr als 20 Jahren begann der deutsche Pfarrer Stefan Hippler, in Kapstadt Kinder mit HIV-Medikamenten zu versorgen. Daraus entwickelte sich HOPE Cape Town, eine heute im Land breit vernetzte gemeinnützige Organisation mit den Schwerpunkten Gesundheit und Bildung. Hippler – Vorsitzender der Stiftung – sucht immer wieder Unterstützer und hat mit dem Bayerischen Landtag einen wichtigen Partner gefunden. Ein Gespräch über die aktuellen Herausforderungen in den Townships und darüber, was ihm die Kraft für sein Engagement gibt.

Der Bayerische Landtag unterstützte das Workshop-Programm „WOMANDLA“ in Kapstadt, das junge Frauen in Südafrika ermutigen sollte, sich gesellschaftlich und politisch in ihren Kommunen zu beteiligen. Sie sind einer der Initiatoren und haben sich in einem Gespräch mit dem Präsidium für ein Folgeprojekt eingesetzt, warum?

Stefan Hippler: „Ich habe gemerkt, wie Frauen die Geschäfte in den Townships am Leben erhalten. Aber auf der anderen Seite haben sie keine Rechte, sobald zu Hause die Tür zugeht. Im Rahmen der Workshops konnten wir die Frauen aus ihrem Alltag holen und sie mit ganz grundlegenden Fragen zu ihrem Selbstverständnis und ihren Zielen konfrontieren: „Wie seht ihr euch?“ „Was wollt ihr erreichen?“ „Wie kommt ihr dazu, eure Ziele zu erreichen?“ In den Gruppendiskussionen mit Frauen in der Blikkiesdorp-Gemeinde stellte sich zudem heraus, dass sie mit dem Stress eines geringen oder fehlenden Einkommens und auch mit der Angst vor dem Coronavirus nicht mehr zurechtkamen. Wir versuchten dann vor allem gewaltgefährdete Frauen dabei zu unterstützen, sich in sozialen Situationen zu behaupten und sie zu ermutigen, sich gegenseitig emotional zu stärken. Und gleichzeitig geht es darum, die Werte der Demokratie im Dialog mit den Menschen vor Ort weiterzuentwickeln und in den südafrikanischen Kontext einzubringen.“

Welche Unterstützung leistet der Bayerische Landtag im Rahmen dieser Partnerschaft?

Stefan Hippler: „Ohne den Bayerischen Landtag hätten wir diesen Prozess nicht gehen können. In der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit geht vieles verloren. Im Rahmen der Kooperation mit dem bayerischen Parlament bin ich in direktem Kontakt mit den Mitarbeitern des Landtagsamtes. Gemeinsam prüfen wir, was gebraucht wird und mit welchen Mitteln das Parlament seinen Auftrag erfüllen kann.“

Das Landesparlament hat die Aufgabe, Demokratie zu fördern und ein Verständnis dafür zu entwickeln, was Teilhabe überhaupt in der Praxis bedeutet. Wie setzen Sie das um?

Stefan Hippler: „Im Rahmen des Workshop-Programms bringen wir den Menschen nahe, wie Demokratie funktioniert und das auch auf einem ganz einfachen Level auszuprobieren, was das heißt – sich beispielsweise mit verschiedenen Meinungen auseinanderzusetzen ohne Gewalt anzuwenden, zuzuhören und Kompromisse zu schließen. Das sind alles Kompetenzen, die Menschen brauchen, um mitgestalten zu können. Gleichzeitig sind sie aber in den Townships nur sehr selten vorhanden.“

Ist es da nicht auch problematisch, wenn man mit dem Verständnis kommt, demokratische Strukturen nach unserem Vorbild zu etablieren? Ist das dann auch das, was vor Ort gebraucht wird?

Stefan Hippler: „Es geht in erster Linie darum, die demokratischen Werte zu bewahren, weiterzuentwickeln und in den südafrikanischen Kontext einzubetten. Man muss also zunächst prüfen, welche Strukturen sind da. Es soll kein System übergestülpt werden, sondern zunächst ein demokratisches Grundverständnis vermittelt werden.“

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie aktuell?

Stefan Hippler: „Zunächst zwei praktische: Wie können wir stabil digital verbunden sein, was äußerst schwierig ist im Township, und wie können wir Sicherheit für die Menschen gewährleisten? Dazu müssen wir uns mit den Gruppierungen auseinandersetzen, die die Macht in einem Township haben, und Frieden schaffen ohne korrupte Strukturen zu unterstützen. Die dritte Herausforderung besteht darin, keine zu hohen Erwartungen zu schüren, die dann womöglich enttäuscht werden. Das heißt: Jeder möchte teilnehmen, wenn er beispielsweise einen Arbeitsplatz bekommt oder Einfluss nehmen kann – und das können wir eben nicht für alle garantieren.“

Was gibt Ihnen die Kraft, dass Sie immer wieder mit neuer Motivation Projekte anstoßen?

Stefan Hippler: „Was mir die Kraft gibt, das sind die einfachen Begegnungen mit den Menschen. Und die Gewissheit, einzelne Leben positiv zu beeinflussen. Zunächst gehen wir miteinander einen Stück Weg und am Ende gehen die Menschen ihren Weg alleine. Im Prinzip ist da nur ein kleines Schubsen nötig. Und das finde ich so spannend und so schön. Zu sehen, dass Menschen, die eigentlich 'tot' sein könnten, produktive Leben leben – das ist Wahnsinn, das tut so gut. Und das ist ein Segen, dass ich dazu beitragen kann.“

Weitere Informationen zum Workshop-Programm WOMANDLA finden Sie hier: Südafrikas Demokratie braucht Frauen.

/ AS

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