Neue Perspektiven für Frauen im ländlichen Tunesien

Vom Landtag unterstütztes Projekt für Landfrauen in Tunesien erfolgreich abgeschlossen

München, 24.8.2021

Einen Arbeitsplatz zu vermitteln und für lokale Teilhabe zu sensibilisieren – das waren zwei zentrale Ziele des Kooperationsprojektes des Bayerischen Landtags und der Deutsch-Tunesischen Industrie- und Handelskammer sowie des DIHK, um Frauen in ländlichen Regionen in Tunesien zu stärken. Ein erstes Projekt ist erfolgreich beendet. Das Präsidium sprach sich nun für ein Folgeprojekt aus.

Seit der Unabhängigkeit 1956 haben Frauen in Tunesien mit dem Personenstandsgesetz und der Emanzipation in verschiedenen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Bereichen mehr Rechte erlangt. Doch völlige Gleichberechtigung – insbesondere im Wirtschaftsleben und der Politik – ist in Tunesien noch längst nicht erreicht. Eines der größten Hemmnisse: Der Zugang zur Beschäftigung bleibt Frauen häufig verwehrt. Auf dem Land sind sie am stärksten von Armut, der Prekarität der informellen Arbeit und der mangelnden Beteiligung an kommunalen Entscheidungsprozessen sowie von Diskriminierung betroffen. Dabei sind die tunesischen Frauen eine zentrale Stütze der Gesellschaft: Sie sind verantwortlich für die Betreuung ihrer Eltern, die Erziehung ihrer Kinder und die wirtschaftlichen Bedürfnisse ihrer Familie – gerade wenn sie auf dem Land leben, was für rund ein Drittel gilt. Somit spielen sie auch im Wirtschaftskreislauf eine wichtige Rolle. „Haben Sie jemals jemanden gesehen, der fliegen wollte, aber keine Flügel hatte? Das Leben geht so schnell vorbei und ich habe das Gefühl, als wenn ich nichts erreicht hätte“, beschreibt eine Tunesierin das Dilemma. „Aber du musst etwas tun, was du mit Leidenschaft machst, was dich weiterentwickelt.“ Die Projektteilnahme bot ihr die Chance dazu.

Zusammenarbeit mit lokalen Partnern

Im Rahmen eines Unterstützungsprogrammes förderte der Bayerische Landtag den Zugang zu Arbeits-, Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten speziell für Landfrauen in Tunesien. In Zusammenarbeit mit der Deutsch-Tunesischen Industrie- und Handelskammer AHK Tunesien wurden dazu in der zweiten Jahreshälfte 2020 verschiedene Aktivitäten über das Zentrum für Orientierung und berufliche Umschulung durchgeführt. Dabei wurden Unterstützungsmaßnahmen für insgesamt 45 Frauen auf dem Land angeboten, um ihnen wirtschaftliche Perspektiven zu eröffnen und gesellschaftlich-politische Teilhabe zu ermöglichen.

Die persönliche wirtschaftliche Perspektive hängt dabei eng mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zusammen. Denn „in ländlichen Gebieten werden Entscheidungen in der Regel in von Männern dominierten Gremien oder Gruppen getroffen und beruhen in der Regel auf den Werten, Perspektiven und Erfahrungen dieser von Männern dominierten Gremien“, berichtet Jörn Bousselmi von der AHK Tunis. Frauen auf dem Lande spielten außerhalb der Familie im gesellschaftlichen Leben lediglich eine untergeordnete Rolle. Genau da setze das Projekt an, das der Bayerische Landtag unterstützte: „Wir haben diese Frauen ermutigt, sich für ihren Ort zu interessieren und sich im lokalen zivilen Ökosystem zu engagieren – und wir haben versucht, diesen Frauen eine Vorstellung von Menschenrechten und Staatsbürgerschaft zu vermitteln und sie über ihre Rechte zu informieren.“ Eine wichtige Rolle habe es auch gespielt, Stereotypen zu erkennen, um diese dann zu hinterfragen.

Erschwerte Bedingungen

Allerdings mussten wegen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie einige Schulungsaktivitäten von November auf Dezember verschoben werden. Auch sprachen einige tunesische Unternehmen aufgrund der Krise vermehrt Entlassungen aus. Trotz dieser Ausnahmesituation fanden 37 Kandidatinnen eine Arbeitsanstellung in einem Unternehmen der Sozial- und Solidarökonomie innerhalb der landwirtschaftlichen Entwicklungsgruppen ihrer Regionen – einige von ihnen zum Beispiel als Verwaltungs- und Handelsassistentinnen in Sidi Bouzid. Andere lernten die Verarbeitung von agro-ökologischen Produkten in Bir Salah in Sfax sowie von agro-ökologischen Palmenprodukten in Maatoug und fanden dort eine Beschäftigung.

Die Frauen nahmen sowohl an Soft Skills-Trainings, als auch Trainings in politischer Bildung sowie an technischen Schulungen teil. Die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern trug wesentlich zum Erfolg des Projektes bei. Dazu wurden lokale Behörden und Entscheidungsträger eingebunden, um die Unterstützung auch seitens der Ehemänner zu erhalten. Zudem zeichneten sich die Landfrauen durch ihre Disziplin und Ausdauer aus – bemerkenswert gerade vor dem Hintergrund, dass die meisten Teilnehmerinnen keine höhere Schulbildung absolviert hatten. Daher sei auch das Schulungsmaterial an das schulische und akademische Niveau angepasst worden, berichtet Bousselmi. „Vertrauen zu schaffen durch den Aufbau eines Dialogs und eines konstruktiven Austauschs mit Hilfe von visuellen und audiovisuellen Hilfsmitteln, die sich auf ihr tägliches Leben und die Hindernisse in ihrem Leben beziehen“ – das seien laut Bousselmi die wichtigsten Elemente und die Grundlage für den Erfolg des Projektes gewesen.

Nun soll ein weiteres Projekt der AHK Tunis folgen, das der Bayerische Landtag unterstützen möchte. Denn das Präsidium des Landtags hatte sich für ein fortgesetztes, nachhaltiges entwicklungspolitisches Engagement in Tunesien ausgesprochen.

Weitere Informationen zum Workshop-Programm WOMANDLA in Südafrika finden Sie hier: Südafrikas Demokratie braucht Frauen.

/ AS

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