„Man kann das alles nicht begreifen“

Ukrainischer Generalkonsul bittet Landtag um Unterstützung

08.03.2022

München.      Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat dem ukrainischen Generalkonsul Yuriy Yarmilko bei seinem Besuch im Bayerischen Landtag Unterstützung zugesagt. Sie werde schnellstmöglich veranlassen, dass der Landtag der Ukraine konkrete Hilfe – beispielsweise durch Lieferung medizinischen Materials – zukommen lasse. Vor dem Europaausschuss erneuerte Yarmilko die Forderung seines Landes nach Waffenlieferungen.

„Es sind Bilder wie aus dem Zweiten Weltkrieg“, beschreibt der ukrainische Generalkonsul Yuriy Yarmilko die Lage der Flüchtenden. Denn nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hätten sich vor allem viele Familien entschieden, zu fliehen. Doch angesichts der anhaltenden Bombenangriffe, teils auch auf die Fluchtrouten, sei die sicherste Fluchtvariante derzeit wohl die per Bahn. Doch die Züge seien komplett überfüllt, die Menschen – unter ihnen vielfach auch kleine Kinder - müssten 10 Stunden dicht an dicht stehend verbringen: „Man kann das alles nicht begreifen.“

Yarmilko berichtet von einem Mitarbeiter des Generalkonsulats, der erst am Tag zuvor von der polnisch-ukrainischen Grenze zurückgekehrt war: „Ich habe ihn gefragt, wie dort die Lage ist - er hat angefangen zu weinen. Dabei war er noch nicht mal im Zentrum, sondern nur an der Grenze.“

Angesichts dieser humanitären Katastrophe erneuerte Yarmilko sowohl beim Gespräch mit Landtagspräsidentin Ilse Aigner als auch vor dem Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten seine Forderung nach Waffenlieferungen für die Ukraine: „Denn ohne Waffenlieferungen macht Putin weiter und die Frage ist, wo er aufhört.“

Landtagspräsidentin Ilse Aigner unterstrich, dass sie den Kurswechsel der Bundesregierung in der Frage der Waffenlieferungen aus Deutschland begrüße. Sie erkundigte sich zudem, wie auch der Landtag einerseits den Menschen in der Ukraine selbst und andererseits den Flüchtenden helfen könne. Denn: „Allein wenn man die Flüchtenden sieht, oft drei Generationen: Die alte Generation, die Mütter und ihre Kinder – das könnten wir alle sein“, so Aigner.

Yarmilko betonte, dass es auch sehr viele Frauen gebe, die in der Ukraine bleiben und kämpfen. Aufgrund der anhaltenden Angriffe Russlands sogar auf Krankenhäuser benötigten sie alle insbesondere Unterstützung durch die Lieferung von Medikamenten und medizinischer Ausstattung und Material. Aigner sagte dafür die Hilfe des Bayerischen Landtags zu. Auch bei früheren Hilfsaktionen in der Vergangenheit wurde bereits medizinisches Material in die Ukraine gesendet, so dass an diese Erfahrungen angeknüpft werden soll.

Respekt und Unterstützung auch im Europaausschuss

Im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten traf Yarmilko auf Abgeordnete, die quer über die Fraktionen hinweg ihre Solidarität mit der Ukraine betonten und sich wie der Ausschussvorsitzende Tobias Gotthardt (FREIE WÄHLER) sehr bewegt zeigten von der aktuellen Lage und ihren eigenen Begegnungen mit den Geflüchteten. In seiner kurzen Rede vor den Ausschussmitgliedern unterstrich Yarmilko abermals: „Ich bitte Sie nochmals um konkrete Unterstützung mit allem, was uns helfen kann.“

Der Generalkonsul schilderte erneut die Lage, an der aus seiner Sicht nicht Russlands Präsident Wladimir Putin allein die Schuld trage. Als Beispiel nannte er den General, der die Bombardierung Charkiws angeordnet habe. Dieser soll Yarmilko zufolge selbst in der Region geboren sein. Für ein Ende des Krieges sind für den Generalkonsul Waffenlieferungen unabdingbar.

Staatsministerin: Bayern steht bereit zur Unterstützung

Die bayerische Staatsministerin für Europaangelegenheiten und Internationales, Melanie Huml, sagte nach der Rede des Generalkonsuls, es sei noch vor 14 Tagen unvorstellbar gewesen und nun leider Realität: „Wir haben Krieg in Europa.“ Huml betonte: „Wenn wir sehen, welches Leid nun auf die Bevölkerung ausgeübt wird, wenn nicht einmal humanitäre Korridore ermöglicht werden, dann ist das auf das Schärfste zu verurteilen.“

Huml legte zudem die Konsequenzen der Staatsregierung aus dem Angriffskrieg durch Russland dar. So stehe nach dem Hilfeersuchen der Ukraine bereits einiges an Schutzausrüstung und medizinischer Ausrüstung bereit. Auch bei der Versorgung von Verletzten stehe Bayern nach dem in der Corona-Pandemie bewährten Kleeblattsystem bereit. Damit auch die Geflüchteten in Bayern adäquat untergebracht werden können, habe es am Tag zuvor eine digitale Sitzung mit allen Landräten und Bürgermeistern gegeben, „denn es wird leider ein großer Bedarf da sein“, so Huml.

Kein „business as usual“, sondern Respekt und Hilfszusagen

In der folgenden Aussprache stellte der stellvertretende Ausschussvorsitzende Dr. Martin Huber (CSU) den Zusammenhang zwischen Außenpolitik und Wirtschaft heraus: „Wir müssen uns bewusst machen, dass Außenpolitik mehr sein muss als Exportförderung.“ Insofern sei zu überdenken, wie Deutschland Lieferwege organisiere und wie Abhängigkeiten vermieden werden können.

Florian Siekmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), geboren 1995 und damit „aufgewachsen in Freiheit und Demokratie“ sagte, es mache ihn „unfassbar traurig – und auch viele andere meiner Generation - dass die jungen Menschen in der Ukraine genau das nicht erleben dürfen“. Er sprach sich dafür aus, allen Ukrainerinnen und Ukrainern Respekt zu zollen, egal, ob diese für ihr Land kämpfen oder fliehen.

Gabi Schmidt, als Abgeordnete der FREIEN WÄHLER auch in der Kinderkommission, erkundigte sich beim Generalkonsul, wie insbesondere Kinder und Jugendliche in der Ukraine sowie Menschen in der Ukraine unterstützt werden könnten.   

Verständnis für die Haltung des Generalkonsuls, der zu Beginn seiner Ausführungen gesagt hatte, es sei der Punkt gekommen, an dem nicht mehr nur geredet werden müsse, sondern gehandelt, zeigte Markus Rinderspacher (SPD): Er betonte das große Verständnis für die Lage der Ukraine, es sei auch für die Abgeordneten „kein business as usual“. „Wir haben großen Respekt vor den schicksalshaften Entscheidungen, die ihr Volk treffen muss“, so Rinderspacher.

Auch Winfried Bausback (CSU) sowie Helmut Markwort (FDP) erkundigten sich nach weiteren Unterstützungsmöglichkeiten für die Ukraine. Bausback zeigte sich als Jurist zudem tief beeindruckt, dass die Ukraine angesichts der russischen Angriffe ihr Recht vor dem Internationalen Strafgerichtshof sowie vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einfordere: „Das ist beeindruckend und hochrespektabel, dass Sie in dieser schwierigen Situation auch diese Wege beschreiten.“

Angesichts der Solidarität und Unterstützungszusagen bedankte sich der ukrainische Generalkonsul bei den Abgeordneten, die ihn mit stehendem Applaus bedachten. Mit konkreten Anliegen werde er sich künftig gerne direkt an die Abgeordneten wenden. Bis dahin „kämpfen wir weiter und sind sicher, dass wir gewinnen werden“, so die Hoffnung Yarmilkos.

/CK

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