Völkerverständigung durch Sport - Kino im Landtag zeigt „Trautmann"

20. März 2019

- Von Christoph Gröner -

MÜNCHEN.      Weltoffenheit und Fussball - beide Themen zusammen haben in Bayern Applausgarantie, natürlich auch bei der Vorführung von Trautmann bei der jüngsten Ausgabe von Kino im Landtag.

Das Fußball-Melodram, aktuell erfolgreich in den deutschen Kinos gestartet und die erste internationale Produktion von Bayerns filmischem Lieblingskind Marcus H. Rosenmüller, feiert die Lebensleistung von Bert Trautmann, der vom gehassten deutschen Kriegsgefangenen in England zur Torwartlegende Manchesters wurde. Ein Fussballer, der den Briten mit Hingabe eine Brücke zu den deutschen Kriegsgegnern baute: Von 1949 bis 1964 stand er für Manchester City 545-mal im Tor, bei einem legendären Spiel auch einmal bis zum Ende, obwohl er sich den Halswirbel gebrochen hatte.

Riesiges Interesse an Rosenmüllers erster internationaler Produktion

Nur einen Tag vor der großen Trautmann-Premiere in England ermöglichten Produzent Robert Marciniak und Verleiher Al Munteanu von Square One die Vorführung mit Staraufgebot im mit 300 Zuschauern voll besetzten Senatssaal des Bayerischen Landtags. Landtagspräsidentin Ilse Aigner würdigte den Film in der Eröffnung als „Unterhaltung mit Anspruch“ und begrüßte als Gäste, die nach dem Film zum Thema „Briten und Deutsche - vereint in Obsessionen“ diskutierten Regisseur Marcus H. Rosenmüller, Hauptdarsteller David Kross, den ehemaligen Nationaltorwart und heutigen Co-Trainer des FC Augsburg Jens Lehmann sowie die Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein. Im Publikum verfolgten zahlreiche Mitglieder des Landtags, Torwartnachwuchs von 1860 München und FC Bayern, aber auch Filmbranchengäste wie Schauspielerin Jutta Speidel und FFF-Geschäftsführerin Dorothee Erpenstein die Vorführung.

Langer Schlussapplaus

„Der Fußball bringt die Menschen zusammen“, führte Aigner ein. Es gehe um fairen Wettkampf und so ausgelassen wie friedliches Feiern beim Fußball. „Dabei spielen nationale Zugehörigkeiten immer weniger eine Rolle. Und dazu hat der deutsche Torwart Bert Trautmann auf der Insel seinen Beitrag geleistet.“ Marcus Rosenmüller und David Kross hätten der Figur ein Denkmal gesetzt und erzählten eine Geschichte, die für die Verständigung der beiden Nationen Weg weisend war. Trautmann hätte mit seiner individuellen Entwicklung kollektive Bilder in den Köpfen aufgebrochen. Aigner verwies auf den internationalen Erfolg des Films aus der örtlichen Filmbranche heraus: „Ich denke, die Macher des Films samt der Crew haben unter anderem mit bayerischem Herzblut und bayerischen Drehorten einen Film vorgelegt, der international viel Beachtung erfahren wird.“
In der Diskussion nach dem langen Schlussapplaus erzählten die Gäste von ihrer jeweiligen persönlichen Wiederentdeckung Trautmanns, der in Grossbritannien stärker im kollektiven Gedächtnis geblieben ist als in Deutschland. So berichtete Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein, sie habe den Torwart zwei Jahre vor seinem Tod 2013 bei einer Würdigung in der Deutschen Akademie für Fussballkultur in Nürnberg kennen gelernt. „Viel mehr Menschen sollten seine Geschichte kennen, Danke deshalb an Marcus H. Rosenmüller“, eröffnete sie die Diskussion sichtlich berührt nach Filmende.


„Der Film entspricht der Haltung Trautmanns"

Der Regisseur hatte für den Film die Möglichkeit, eine Woche andauernde Interviews mit Bert Trautmann an dessen letzten Wohnort Valencia zu führen, diese wurden zur Grundlage des Films. „Er hat sich geöffnet, erzählt von seinen Ängsten und Hoffnungen in seinem reichen Leben.“ Der Film sei natürlich fiktionale Verdichtung und Kondensat, aber ganz in der Haltung Trautmanns entstanden. Insbesondere bei dessen Kriegserfahrungen - Erschießungen von jüdischen Familien und Kindern in der Ukraine hat er aus Angst schweigend mit erlebt - fühlte sich Rosenmüller verpflichtet, so genau wie möglich zu erzählen. Anderes müsse ein Film verdichten. „Echt war für mich vor allen Dingen, dass Trautmann ein Zeichen der Versöhnung sein wollte, nicht nur der Torwart, der sich das Genick gebrochen hat.“ Sein Lebensweg zeige, man könne die Vergangenheit nicht zurückdrehen, aber die Zukunft positiv gestalten, so Rosenmüller über seine Hauptfigur. David Kross erzählte, sein Regisseur habe bei den ersten Treffen 2012 regelrecht für den Film gebrannt und ihn damit angesteckt. Die Memoiren des Torwarts hätten ihn sofort überzeugt: „Das las sich schon wie ein Drehbuch“.


Lob vom Torwart-Profi für den Schauspieler



Jens Lehmann verblüffte die überzeugende physische Darstellung von Kross als Torwart. „Das ist Technik und schwierig zu erlernen, wenn man älter ist. Hut ab.“ Auch wenn Kross teils gedoubelt wurde, steckte viel Arbeit mit einem Torwart-Trainer in der Rolle. „Das Abrollen hat weh getan am Anfang“, kommentierte Kross. Aber der Dreh sei auch ein Jungentraum mit Training im grossen Stadion gewesen. Für den Start des Films in Grossbritannien am Folgetag hatte der Schauspieler einen Wunsch: Ein Autogramm vom aktuellen Mancity-Trainer Pep Guardiola. Jens Lehmann, von 2003 bis 2008 als Torhüter des FC Arsenal  mit dem englischen Fußball sehr vertraut, verglich seine Erfahrungen mit denen Trautmanns. Der letzte deutsche Torhüter, der in Großbritannien vor ihm den FA Cup gewonnen habe, sei eben Trautmann gewesen. Erst als ihm Freunde angesichts des Titelgewinns 2005 davon erzählten, hätte er sich zunehmend verblüfft mit dessen Leben beschäftigt. „Solche Erinnerungen verblassen leider, wenn sich neue Generationen für Fußball begeistern.“ Er hätte Trautmann, damals 85-jährig, dann auch persönlich getroffen und als äußerst vital erlebt.  Mit saftiger Ablehnung der englischen Fans habe er durchaus auch leben müssen, kommentierte Lehmann weiter. „Der britische Humor ist aber nun mal so, schön schwarz - und das lasst alles letztlich locker erscheinen.“

Vom Fußball zum Brexit

Marcus H. Rosenmüller entdeckte Parallelen in der Lebensreise Trautmanns und der Produktion seines Films. Von seinem Cast, in dem Iren, Schotten und Engländer spielten, habe er nach einem anfänglichen Abtasten extrem viel Unterstützung erfahren. Charakterdarsteller wie John Henshaw, Star aus Ken Loach-Filmen oder Gary Lewis (Billy Elliott, 2000) oder die Newcomerin Freya Mavor hätten sich regelrecht in das Projekt gestürzt. Lewis hätte ihm schon bei der ersten Begegnung gesagt: Wir müssen diesen Film machen. Gegen Trump. Gegen Brexit. Damit drehte die Diskussion schließlich zu aktuellen globalen Entwicklungen, und den Problemen des europäischen Projekts. David Kross dazu. „Ich bin im Frieden groß geworden, Europa war ein harter Weg.“ Das dürfe nicht zurückgedreht werden. Für viele Briten sei der Brexit eine Tragödie, ergänzte Jens Lehmann. „Das war eine Wahl Alt gegen Jung. Eine Million Wähler, die dafür stimmten, leben heute nicht mehr. Die Jungen waren zu desinteressiert, jetzt zahlen sie den Preis.“
Marcus Rosenmüller führte aus, dass der Film gerade deshalb auch ein Appell an die Zuschauer sei. „Ihr habt die Individuelle Verantwortung, die Welt kennen zu lernen und Begegnung zu machen - wider die Angst.“ Man müsse in der Gesellschaft so viel Raum für Begegnung mit anderen Kulturen schaffen, damit die Menschen nicht von Vorurteilen aufgesogen werden können. Er kommentierte letztlich hoffnungsvoll: „Wir werden uns trotz Brexit, trotz Populismus weiter begegnen - die Leute sind ja nicht blöd“. 

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