Anhörung im Wirtschaftsausschuss zur Wärmestrategie der Staatsregierung

Wie soll die Wärmewende in Bayern erreicht werden? Wie sollen Heizungen bis 2040 klimaneutral werden?

6. Februar 2025

MÜNCHEN.     Der Energieplan Bayern 2040 ist ein energiepolitisches Gesamtkonzept, in dem festgelegt ist, wie die Bayerische Staatsregierung bei der Energieversorgung das Ziel Klimaneutralität erreichen will. Teil dessen ist die bayerische Wärmestrategie, zu der Sachverständige im Wirtschaftsausschuss des Landtags ihre Einschätzung abgaben. 

Auf Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SPD nahmen zehn Fachleute im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung Stellung zu einem Fragenkatalog, der sich mit der Wärmestrategie auseinandersetzte. Von Energieunternehmen über kommunale Vertreter bis hin zu Wissenschaft und Praktikern beleuchteten die Sachverständigen die Idee, im Gebäudebereich fossile Energien schrittweise durch erneuerbare zu ersetzen, ein Wandel, der demnach nicht nur soziale, sondern auch ökonomische Veränderungen mit sich bringt. 

"Die Wärmewende hat viele Gesichter"

Besonderes Lob erfuhr das in der Wärmestrategie vorgegebene Dreieck aus Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit. Für viele Experten war auch die Technologieoffenheit ein wesentliches Element. Eine "one-size-fits-all"-Lösung gebe es in der Wärmeversorgung nicht, sagte Dr. Andreas Kießling, Leiter des Vorstandsbüros & Politik Bayernwerk, so wenig wie gute und böse Technologien. "Die Wärmewende hat viele Gesichter", sagte Kießling und müsse lokal, vor Ort stattfinden. Denn die Ist-Situation in den einzelnen Kommunen sei unterschiedlich und abhängig von der Einwohnerdichte, der Gebäudestruktur, der Energieinfrastruktur und den vorhandenen Potentialen. Es zeichne sich allerdings aktuell bereits ab, das die Wärmeversorgung in Gebäuden in erster Linie auf Strom mit der Wärmepumpe als wichtiges Element basieren werde. Derzeit werden in Bayern sechs Prozent aller Wohnhäuser mit einer Wärmepumpe beheizt, im Bundesvergleich ein Spitzenwert. Nach Ansicht des Bayernwerk-Vertreters kann die Wärmewende nur mit bezahlbarem Strom erreicht werden. Die Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff sieht er nicht gegeben.

"Der Wurm muss dem Fisch schmecken"

Eine Wahlmöglichkeit ist auch für Marcus Böske, Geschäftsführer der Energie Südbayern, entscheidendes Element. Der Weg zur Klimaneutralität könne nur dann funktionieren, wenn alle Akteure, insbesondere die Bürger und Unternehmen zusammenarbeiten: "Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler." In Anspielung auf die jüngste Terminverschiebung der Staatsregierung zum Erreichen des Klimaziels erklärte Böske, ob dieses Ziel bis zum Jahr 2040 oder aber zum Jahr 2045 erreicht werde, spiele kaum eine Rolle. Wichtig sei der Grundkonsens der Klimaneutralität. Dafür würden alle potenziell klimaneutralen Energieträger gebraucht, Strom, Fernwärme, erneuerbare Energien wie Windkraft, Solarthermie, Geothermie, Photovoltaik und Biomasse bis hin zu Wasserstoff.

Auf einen Paradigmenwechsel setzt Gunnar Braun, Geschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen, Landesgruppe Bayern. Denn jede Kommune muss sich in den kommenden Jahren damit beschäftigen, wie ihre Bürgerinnen und Bürger künftig sinnvoll heizen können. Die "Kommunale Wärmeplanung" ist eine gesetzliche Pflicht. Laut Braun ersetzen Umweltenergien, die uns in natürlichen Kreisläufen zur Verfügung stehen, künftig die Verbrennung fossiler Energien. Das verlange ein Umdenken mit Blick auf Lagerfähigkeit, Speicher sowie Flächenbedarfe. Zweitens werde zunehmend Geld für (Anfangs-)Investitionen in Anlagen und weniger für Einkäufe von Brennstoffen ausgegeben. Braun forderte hier bessere Anreize für Umweltenergien zu setzen. Bessere Zusammenarbeit und Koordination sei der dritte Paradigmenwechsel: "Wir reden nicht mehr über die individuelle Ölheizung, sondern wir reden über Zusammenarbeit". Dazu seien auch Planungen in einem Landesentwicklungsplan nötig. 

Rahmenbedingungen für Gemeinden

Die Vertretung der kleinen Kommunen, der Bayerische Gemeindetag, betonte, die Staatsregierung könne mit ihrer Strategie Rahmenbedingungen setzen, wie sie die Heizungen in Bayern klimaneutral bekommen will. Stefan Graf, Direktor des Bayerischen Gemeindetags sieht eine gute Akzeptanz in den Gemeinden. Seine Kritik: "Wir sprechen zwar viel über erneuerbare Quellen, aber wir sprechen zu wenig über Wärmenetze." Nötig seien Zielvorgaben. Mit Blick auf Wasserstoff seien die Versorger nicht sprechfähig. Bei der Tiefengeothermie - also der Nutzung von Wärme aus dem Erdinnern - gebe es ein Eigenkapitalproblem. "Wir brauchen 500 Millionen Euro, dann könnte man damit 200 Projekte rollierend bis 2040 umsetzen." Nur mit staatlichen Sicherheiten sei es möglich, mit der Tiefengeothermie den gewünschten Anteil von 25 Prozent an der Wärmeversorgung zu realisieren. 

Auch der technische Leiter und Prokurist der Erdwärme Grünwald machte sich für Geothermie stark. Franz Berenth forderte ein Bekenntnis der Staatsregierung zu dieser Form der Energiegewinnung. Berenth verwies auf das hohe Risiko, bei Bohrungen fündig zu werden. Deshalb müssten staatliche Bürgschaften Investitionen absichern. Mehr Digitalisierung und weniger bürokratische Hürden seien zudem hilfreich. Die interkommunale Zusammenarbeit sieht Berenth aus seinen Erfahrungen heraus positiv.  Er verwies auf Verbundleitungen beispielsweise mit Unterhaching, die eine zuverlässige Wärmeversorgung für die Bürgerinnen und Bürger absichere. 

Strategie und Verlässlichkeit gefordert

Insgesamt hängt der Erfolg der Wärmestrategie nach fast übereinstimmender Ansicht der Fachleute an einer klaren Strategie und Verlässlichkeit für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Einen blinden Fleck in der Wärmestrategie stellte allerdings Dr. Stefan Rauh fest, Geschäftsführer /COO des Fachverbands Biogas. Es fehle die Beschäftigung mit industrieller Prozesswärme, die einen erheblichen Anteil des Wärmebedarfs ausmache, erklärte Rauh. Zu wenig Beachtung fänden zudem Wärmenetze als Basis, um verschiedene Wärmequellen zu nutzen. Sie würden in der Wärmestrategie nicht adressiert. Biogas und -methan ließen sich besonders gut kombinieren mit anderen Technologien wie Geothermie.

Fundamentalkritik kam von Prof. Dr. Reinhard Müller-Syhre, von der Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit. Dass sämtliche Energieträger, auch fossile, durch elektrische Energie ersetzt werden sollen, hält Müller-Syhre für falsch und zu teuer. "Es ist ja so, dass die Gesetze für mich als Steuerzahler gemacht werden, das heißt, dass ich die Regierung bezahle, um für mich Gesetze zu machen." Der CO2-Ausstoß in Deutschland sei aber so marginal, dass die durch die Wärmestrategie erforderlichen Ausgaben nicht gerechtfertigt seien. Er warnte: "Damit werden wir uns ruinieren."

Zu wenig Rücksicht auf soziale Aspekte

Für eine ganzheitliche Perspektive setzte sich die digital in die Anhörung zugeschaltete geschäftsführende Vorständin des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS), Carolin Schenuit, ein. Sie nannte Kommunen und Handwerker "wichtige Akteure", allein schon bedingt durch ihre Beraterfunktion. Soziale Aspekte sieht Schenuit in der Wärmestrategie zu wenig berücksichtigt und schlug vor, gezielter und gestaffelt nach Einkommen zu fördern. "Man könnte auch ein "worst-first"-Prinzip etablieren für Eigentümer von besonders energieineffizienten Gebäuden." Leider gebe es aber bislang keine übergreifenden Evaluationen, was Förderungen genau bewirkten. Ferner fehlten bislang in der Strategie klare Zeitvorgaben, bis wann Gebäudeeigentümer handeln müssten. Eingeschlagene Pfade dürften nun nicht wieder verlassen oder infrage gestellt werden.

Die Stadtwerke München, SWM, setzen auf Fernwärme und Wärmepumpe ergänzt durch Wasserstoff. Für Richard Tretter, Leiter der Energie- und Netzwirtschaft der SWM, gibt die Wärmestrategie die richtige Richtung vor. Verbesserungspotential sieht Tretter im Zulassungsverfahren bei Geothermie und bei der Förderung von Wärmepumpen. Wasserstoffheizungen sehen die Stadtwerke dagegen nur als Nischenanwendung. Der Einsatz von Wasserstoff sei derzeit noch mit hohen Kosten verbunden und damit weniger für die Erzeugung von Raumwärme, sondern eher im industriellen Bereich sinnvoll, so Tretter. Hohen Bedarf gebe es zudem in der Aus- und Weiterbildung. 

Handwerk bereit für Energiewende

Eine Aussage, der Olaf Zimmermann, Geschäftsführer der Firma Heizung-Obermeier und ehrenamtlicher Obermeister der SHK Innung München, sofort zustimmte. Bei seinen Kunden stellt Zimmermann aktuell eine große Verunsicherung fest. Deshalb mahnte er klare Vorgaben an. Es tue ihm im Herzen weh, wenn er noch fossile Technik einbauen müsse, weil beispielsweise die Fernwärme nicht schnell genug gekommen sei. "Das Münchner Handwerk ist bereit, die Energiewende zu machen", sagte Zimmermann.

In den anschließenden Fragerunden der Abgeordneten ging es vor allem darum, was die Experten konkret vorschlagen, um die Wärmestrategie zu verbessern. Martin Stümpfig (BÜNDNIS 90/ GRÜNE) kritisierte die Strategie als maximal unverbindlich. Es fehlten Aussagen zu oberflächennaher Geothermie und einer stärkeren Förderung von Wärmenetzen. Die Bezahlbarkeit der Wärmewende für die Menschen interessierte den SPD-Abgeordneten Florian von Brunn
Oskar Lipp von der AfD vermisste konkrete Zahlen in der Präsentation der Fachleute und kritisierte, wirtschaftliche Fakten hätten in der Anhörung keine Rolle gespielt. Josef Lausch (FREIE WÄHLER) fragte nach der Rolle von Biomasse in der Wärmestrategie und dem Potenzial von Mist und Gülle. Für die CSU mahnte Walter Nussel, die Grundversorgung der Bevölkerung mit Energie in den Mittelpunkt zu stellen. 

/ Miriam Zerbel 

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